Die Regierung von Ministerpräsident Jan-Peter Balkenende ist an einem monatelangen Streit über den Afghanistan-Einsatz zerbrochen.

Amsterdam/Den Haag. Die niederländische Regierung von Ministerpräsident Jan-Peter Balkenende ist in der Nacht zum Samstag an einem wochenlangen Streit über den Afghanistan-Einsatz zerbrochen. Sollte Königin Beatrix – wie erwartet – das inzwischen von Balkenende unterbreitete Rücktrittsgesuch seiner Regierung annehmen, würde es Ende Mai oder Anfang Juni zu Neuwahlen kommen. Dann kann unter anderem die rechtsgerichtete Partei für die Freiheit (PVV) des Populisten Geert Wilders mit deutlichen Stimmengewinnen rechnen und - nach derzeitigen Umfragen – zweistärkste Kraft im Parlament werden.

Auch eine 16-stündige Marathonsitzung in der Nacht zum Samstag hatte die Drei-Parteien-Koalition nicht retten können. Die Sozialdemokraten verließen das Bündnis, weil sie das Afghanistan- Mandat für die niederländische Armee nicht über 2010 hinaus ausweiten wollen. Balkenendes Christdemokraten sind für die Ausweitung. Der Ministerpräsident unterrichtete Königin Beatrix, die sich zum Skiurlaub im österreichischen Lech aufhielt, am Samstagnachmittag telefonisch über das Scheitern der Regierung. Die Königin werde am Montag mit Balkenende und den Repräsentanten der anderen beiden Koalitionspartner sprechen, teilte der Königspalast am Samstagabend mit.

Alle drei Koalitionäre – Christdemokraten, Sozialdemokraten und die kleine Christen-Union – haben bereits klar gemacht, dass für sie eine Fortsetzung des Bündnisses nicht infrage kommt. Löst die Königin die Regierung auf, könnte der Afghanistan-Einsatz nicht verlängert werden. Das Kabinett dürfte dann laut Verfassung keine weitreichenden Beschlüsse mehr fassen. Balkenende kündigte bereits an, er werde seine Partei in die Parlamentswahl führen. Alle Spitzenkräfte seiner Christdemokraten unterstützten ihn, sagte er vor Journalisten in Den Haag.

Er habe feststellen müssen, dass es keine Möglichkeit für eine fruchtbare Zusammenarbeit mehr gebe, hatte der Ministerpräsident das Ende der Koalition begründet. Die sozialdemokratische PvdA, zweitgrößte Koalitionspartei, habe die Regierung durch ihre Weigerung mit einer „politischen Hypothek“ belastet. Eine offene Debatte über die Ausweitung der Mission am Hindukusch sei so blockiert worden, kritisierte der Regierungschef. Der Parteichef der Sozialdemokraten und Vizepremier Wouter Bos hatte sich kategorisch dagegen ausgesprochen, den Einsatz der niederländischen Soldaten in der südafghanischen Provinz Uruzgan zu verlängern. NATO-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen hatte vor anderthalb Wochen darum gebeten, die Niederländer sollten bis August 2011 in Afghanistan bleiben, um einheimische Sicherheitskräfte auszubilden. Nach bisherigen Plänen wollen die Niederlande im August dieses Jahres mit dem schrittweisen Rückzug ihrer Afghanistan-Truppe beginnen. Balkenendes Christlich-Demokratischer Appell (CDA) als größte Regierungspartei ist für die Ausweitung des Afghanistan-Mandats. Die protestantisch-konservative Christen-Union ist gespalten. Der stellvertretende Verteidigungsminister von der Christen-Union, Jack de Vries, sagte, seine Partei wollte über die Art der Einsatzes reden. Teile der Fraktion sind wie die Sozialdemokraten aber gegen die Ausweitung des Mandats.

Die Niederlande haben derzeit mehr als 1800 Soldaten in Afghanistan stationiert. Seit 2006 wurden 21 Niederländer dort getötet. Die Regierung Balkenende wäre am kommenden Montag drei Jahre im Amt gewesen. Die Christdemokraten halten derzeit 41 Sitze in dem 150 Sitze umfassenden Zehn-Parteien-Parlament. Die Sozialdemokraten haben 33 Parlamentarier entsandt. Meinungsumfragen sagen beiden großen Parteien herbe Verluste voraus. Wäre an diesem Sonntag Wahl, würde den Umfragen zufolge Wilders PVV die Zahl ihrer Mandate von derzeit neun auf 24 erhöhen und zweitstärkste Kraft werden.