Alliierte kommen bei Offensive langsam voran. Nachdem bei einem Angriff der Isaf-Truppen auch zwölf Zivilisten getötet wurden, zieht die Nato Konsequenzen. Clinton kündigte Afghanen “langfristige Hilfe“ an.

Hamburg. "Runter! Auf den Boden!", rufen die US-Soldaten, als Schüsse aus Maschinengewehren die Ruhe in den Mohnfeldern von Mardscha zerreißen. Marineinfanteristen werfen sich auf den staubigen Boden in der südafghanischen Provinz Helmand und suchen Schutz hinter Sanddünen. Auch am dritten Tag der gemeinsamen Großoffensive von Nato-Truppen und der afghanischen Armee kommen die insgesamt 15 000 Soldaten nur langsam voran. Sie werden von Heckenschützen der Taliban unter Feuer genommen, versteckte Sprengsätze halten den Vorstoß der Soldaten immer wieder auf.

Doch die Operation "Muschtarak" (Gemeinsam) beginnt nicht nur mit heftiger Gegenwehr der Taliban - sie startete für die von der Nato geführte Internationale Schutztruppe Isaf mit einem militärischen Desaster: Seit gestern ist klar, dass bei dem Angriff der Truppen auch sechs Kinder starben. Zwei Raketen der Isaf hatten am Sonntag ihr eigentliches Ziel um mehrere Hundert Meter verfehlt. Insgesamt zwölf Zivilisten wurden getötet. Gestern starben bei einem Luftangriff in der Provinz Kandahar weitere fünf Zivilisten, zwei Menschen wurden verletzt. Das Bombardement war nach Isaf-Angaben aber nicht Teil der Operation "Muschtarak" in Helmand.

Der Tod der Zivilisten hat eine Debatte über den Schutz der Zivilbevölkerung in den umkämpften Regionen entfacht. Der afghanische Innenminister Mohammad Hanif Atmar kündigte an, man werde auf den Einsatz von schwerer Artillerie verzichten und sich täglich mit Stammesältesten über die Offensive beraten. Über einen Radiosender wolle die Regierung die Zivilisten besser informieren. Die Isaf kündigte an, das Raketenwerfer-System bis zur Klärung des Vorfalls nicht mehr zu verwenden.

Afghanistans Präsident Hamid Karsai hatte die Truppen zu Beginn der Offensive aufgefordert, Zivilisten zu schützen. Auch die Vereinten Nationen hatten solch einen Appell an die Konfliktparteien gerichtet.

US-Brigadegeneral Lawrence (Larry) Nicholson sagte dem US- Fernsehsender CBS, die Militäroperation in Mardscha könne noch 30 Tage dauern. Ziel der größten Offensive seit dem Sturz des Taliban-Regimes 2001 ist, die Rebellen aus der Region Mardscha, einem der größten Opium-Anbaugebiete der Welt, zu vertreiben.

US-Außenministerin Hillary Clinton sagte Afghanistan unterdessen langfristige Hilfe zu. "Die USA werden Afghanistan nicht im Stich lassen", sagte sie am Sonntag beim "US-Islamic World Forum" in Doha. Auch nach dem Abzug der US-Truppen werde Washington mit einer "zivilen Präsenz" eine "langfristige Partnerschaft" mit Kabul sichern. Zugleich machte Clinton deutlich, dass die USA kein Interesse daran hätten, Afghanistan zu "besetzen".

Clinton bereist derzeit den Nahen Osten, um Unterstützung für eine neue Resolution des Uno-Sicherheitsrats für Sanktionen gegen den Iran zu erreichen. Der Iran steuert nach Clintons Einschätzung auf eine "Militärdiktatur" zu. Die Revolutionsgarden unterwanderten mit den von ihnen kontrollierten Unternehmen zunehmend das politische System, sagte sie bei einer Diskussion mit Studenten in der Hauptstadt von Katar. Die US-Außenministerin versicherte zugleich, die USA wollten keinen militärischen Angriff im Atomstreit mit Teheran führen, sondern setzten auf schärfere Sanktionen. Clinton machte auch in Saudi-Arabien halt, wo sich die USA besondere Hilfe erhoffen. Das ölreiche Land soll dazu beitragen, Bedenken Chinas zu zerstreuen. Der Iran ist Pekings drittwichtigster Rohöllieferant, nach Vorstellungen der USA könnte Saudi-Arabien einspringen, falls Iran seine Öllieferungen an China stoppen sollte.