Hamburg/Washington. "Es ist meine größte Sorge, es ist das, was mich nachts wach hält - dass al-Qaida und ihre Tochterorganisationen die USA sehr wohl angreifen könnten." Die Sorge von CIA-Chef Leon Panetta ist nicht nur allgemeiner Art. Die Chefs der amerikanischen Geheimdienste haben jetzt dem zuständigen Ausschuss des Senats mitgeteilt, dass aufgrund ihrer Ermittlungen ein versuchter Anschlag des Terrornetzwerks in den nächsten drei bis sechs Monaten "sicher" sei. "Sie werden es versuchen", sagte Geheimdienstkoordinator Dennis Blair vor dem Ausschuss in Washington.

Panetta hatte den Senat zusammen mit Blair und FBI-Direktor Robert Mueller über die Bedrohung informiert. Er sagte, al-Qaida habe ihre Methoden geändert, um die Vorbereitung von Terroranschlägen besser zu verschleiern. Das Terrornetzwerk versuche nun, in Amerika Lebende zu Anschlägen aufzustacheln, und sei inzwischen dazu übergegangen, Personen zu benutzen, die zuvor keinerlei Verbindungen zum Terrorismus gehabt hätten. So sei es auch bei dem versuchten Anschlag auf ein US-Passagierflugzeug am ersten Weihnachtstag gewesen. Damals hatte der junge, im Jemen ausgebildete Nigerianer Umar Farouk Abdulmutallab versucht, mit am Körper verstecktem Sprengstoff die Maschine beim Landeanflug auf Detroit in die Luft zu jagen.

"Die größte Bedrohung ist weniger, dass uns ein Angriff wie am 11. September 2001 bevorsteht", sagte Panetta. "Sie liegt vielmehr darin, dass al-Qaida seine Methoden so adaptiert, das sie oft schwer zu entdecken sind." Der CIA-Chef erläuterte, eine besondere Gefahr seien radikalisierte Einzelgänger: "Ich denke, wir müssen der Strategie des 'einsamen Wolfs' Aufmerksamkeit schenken - als die Hauptbedrohung für dieses Land." Dies bezog sich auch auf den US-Major und Militärpsychiater Nidal Hassan, der Anfang November auf dem Stützpunkt Fort Hood in Texas plötzlich seine Kameraden angegriffen und 13 Menschen getötet hatte.

Wie hochrangige Beamte der US-Regierung gestern mitteilten, haben die Ermittler die Familie Abdulmutallabs zur Kooperation bewegen können. Dies wiederum habe den Nigerianer zum Auspacken veranlasst. Er habe bereits wichtige Informationen gegeben. Der konservative US-Sender Fox News meldete, Abdulmutallab "singe wie ein Vögelchen".

Die prominenten republikanischen Senatoren Orrin Hatch und Kit Bond fragten Blair, ob es eigentlich irgendwelche Beweise dafür gebe, dass die von Präsident Barack Obama angekündigte Schließung des Gefängnisses Guantánamo auf Kuba die Terrorgefahr für die USA reduzieren werde. Beide Senatoren sind gegen diese Schließung, weil sie Terror-Verdächtige damit auf amerikanischen Boden bringen würden. Blair erwiderte, dass Guantánamo zu einer Rekrutierungsbasis für al-Qaida geworden sei - was, wie der US-Sender CNN meldete, einen heftigen Wortwechsel zur Folge hatte. Blair erklärte auf die Vorhaltungen der Republikaner, Guantánamo habe inzwischen einen mythischen Ruf bekommen, der al-Qaida helfe.

Einen politischen Streit gibt es in Washington auch über die Frage, ob Terrorverdächtige von zivilen oder militärischen Gerichten abgeurteilt werden sollten. Eine Gruppe von Senatoren beider Parteien hat einen Gesetzesentwurf eingebracht, der Präsident Obama zwingen könnte, dafür Militärtribunale einzusetzen. 18 Senatoren hatten sich dieser Initiative bereits bis Dienstag angeschlossen. Nach Obamas bisherigen Plänen sollen Verdächtige des 9/11-Anschlags wie Planungschef Khalid Scheich Mohammed vor ein Bundesgericht in New York gestellt werden.

Der republikanische Senator Lindsay Graham will der Regierung mit dem von ihm initiierten Gesetzesentwurf jedoch die notwendigen Gelder des Justizministeriums für derartige Terrorprozesse vor Zivilgerichten sperren lassen.