Vertrauen dürfe nicht aufs Spiel gesetzt werden. Spannung auch wegen amerikanischer Taiwan-Politik.

Peking. Chinas Regierung hat US-Präsident Barack Obama vor einem Treffen mit dem Dalai Lama gewarnt. Es würde eine schwere Belastung für die "politischen Grundlagen" beider Länder werden. Eine solche Begegnung sei weder "vernünftig noch von Vorteil" für die USA, drohte der Vizeminister Zhu Weiqun von der ZK-Abteilung für Einheitsfront. Die USA sollten vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise, die das beiderseitige Verhältnis zu einer der "wichtigsten bilateralen Beziehungen" der Welt gemacht habe, nicht Vertrauen und Kooperation aufs Spiel setzen.

Es war die zweite Warnung an die USA innerhalb einer Woche, nachdem Peking gegen US-Waffenlieferungen an Taiwan protestiert hatte. Sie zeigt erneut die chinesische Gereiztheit an, wenn es um die Kernfragen Taiwan und Tibet geht. Der Dalai Lama sei kein Religionsführer, sondern eine politische Figur und habe seit seiner Flucht ins indische Exil 1959 kein Recht, Tibet oder die Tibeter zu vertreten, sagte Zhu Weiqun. Die Auseinandersetzung mit ihm sei eine innerchinesische Angelegenheit.

Er drohte mit "Maßnahmen", wenn sich ausländische Mächte einmischten. Der hohe Funktionär hatte am Wochenende Gespräche mit den nach China gekommenen Unterhändlern des Dalai Lama, Lodi G. Gyari und Kelsang Gyaltsen, geführt. Zhus gestrige Pressekonferenz artete aber rasch zum polemischen Tribunal gegen den Dalai Lama aus, den Peking einen "Separatisten" nennt. Ihm wurde vorgeworfen, sich unpatriotisch als "Sohn Indiens" bezeichnet zu haben, der Vertreter einer "Sklavenhalterkaste" zu sein und die Kommunistische Partei beleidigt zu haben, weil er sie aufforderte, nach 60 Jahren Regierung in den Ruhestand zu treten. Zhu sagte, dass Peking die vom Dalai Lama geschickten Tibeter nicht als Verhandlungspartner anerkenne, sondern als seine "privaten Abgesandten" betrachte. Bei den Gesprächen gehe es um den Dalai Lama nur als "Privatperson. Er ist schon 75 Jahre alt. Wir hoffen, dass er sich der Realität stellt, seinen Standpunkt ändert und für seine verbleibenden Jahre eine korrekte Wahl trifft."

Pekings Regierung ging mit ihrer Einladung an die Dalai-Lama-Vertreter und der vom Fernsehen live übertragenen Pressekonferenz in die propagandistische Offensive. International wird ihr in der Tibetfrage vorgeworfen, sich dem Dialog zu verweigern. Vor allem versucht Peking den Dalai Lama, der in diesem Monat in die USA reist, zu isolieren, indem die Regierung jeden Auslandskontakt mit ihm zur Staatsaffäre macht. Auch Außenminister Guido Westerwelle (FDP) wurde bei seinem Peking-Besuch im Januar brüsk vor einem Treffen gewarnt. Zu Zugeständnissen an den Dalai Lama ist Peking aber auch nicht bereit. Der Vizevorsitzende des Beraterparlaments und ZK-Minister Du Qinglin nannte den Emissären vier Vorabbedingungen, bevor Peking seine Beziehungen verbessern könnte. Der Dalai Lama dürfe in keiner Weise Chinas Staatsinteressen, vor allem der Souveränität und territorialen Integrität, kompromittieren, habe sich an die Verfassung zu halten und seine Forderungen nach einem "Großtibet" oder "weitreichender Autonomie" aufzugeben. Er müsse die Würde der Nation achten, alle internationalen anti-chinesischen Aktionen, Reden und Kontakte einstellen und dürfe nicht gemeinsame Wünsche der Nationalitäten verletzen.

Bei den erfolglos endenden Gesprächen gab es inhaltlich keine Bewegung, gestand Vizeminister Zhu nach seinem als "hitzige Debatte" charakterisierten Treffen mit Lodi G. Gyari und Kelsang Gyaltsen. "Die Positionen blieben scharf voneinander getrennt." Das sei bei allen neun Treffen seit 2002 "die Regel gewesen, weil sie so grundverschieden sind". Trotzdem wollte gestern keine der beiden Seiten einen Abbruch der Gespräche sehen. Zhu sagte: Solange der Dalai Lama nicht "öffentlich die Unabhängigkeit Tibets verlangt, halten wir die Türen für Gespräche offen." Auch die Dalai-Lama-Abgeordneten, die zum Sitz der Exilregierung im indischen Dharamsala zurückkehrten, wollen weiter mit Peking reden.