Welternährungsprogramm steht vor der größten Aufgabe seiner Geschichte. Montreal-Konferenz blieb aber ohne feste Zusagen. Regenzeit droht die Lage zu verschlimmern.

Port-au-Prince/New York. Das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen hat mehr Hilfe für die Überlebenden des Erdbebens in Haiti angemahnt. Die Menschen des bitterarmen Karibikstaates müssten viel länger versorgt werden als angenommen. Die Zahl der Todesopfer des Erdbebens vor zwei Wochen hat sich nach Angaben der haitianischen Regierung in Port-au-Prince auf 150 000 erhöht. Es wurde aber befürchtet, dass die wirkliche Zahl der Toten um vieles höher liegt.

"Ursprünglich hatten wir mit zwei Millionen Menschen gerechnet, die wir sechs Monate versorgen müssen", sagte WFP-Chefin Josette Sheeran in New York. "Jetzt gehen wir von mindestens zwölf Monaten aus." Möglicherweise könne es sogar noch länger dauern. Das Projekt Haiti sei eine der größten, wenn nicht die größte Herausforderung, vor der das Ernährungsprogramm in 40 Jahren gestanden habe. "Deshalb fordern wir alle Armeen dieser Welt auf, uns ihre irgendwie entbehrlichen Fertigmahlzeiten zur Verfügung zu stellen", sagte Sheeran.

Nach der Haiti-Konferenz im kanadischen Montreal blieb unklar, wie viel Geld die Staatengemeinschaft für den Wiederaufbau des vom Erdbeben zerstörten Haiti aufbringen will. Das Treffen der Außenminister und Repräsentanten von etwa 20 Staaten und Organisationen ging am Montag ohne verbindliche Zusagen zu Ende. Summen wurden nicht genannt. Die notwendigen Mittel werden auf bis zu 15 Milliarden Dollar (knapp elf Milliarden Euro) geschätzt. Vereinbart wurde, dass die große Geberkonferenz für Haiti im März bei der Uno in New York stattfindet. Die Regierung Haitis hatte den Bedarf an finanzieller Hilfe für die Not leidende Bevölkerung und den Wiederaufbau auf drei Milliarden Dollar (2,1 Milliarden Euro) beziffert.

Unterdessen wurden Pläne der haitianischen Regierung bekannt, das weitgehend zerstörte Zentrum von Port-au-Prince für einige Zeit abzuriegeln. Während dieser Zeit sollten Ruinen und Schutt beseitigt und neue Gebäude errichtet werden. "Wir müssen die Menschen dazu bewegen, in ihre Heimatprovinzen zu gehen, indem wir dort die Lebensbedingungen verbessern", sagte Jean Baleme Mathurin, Wirtschaftsberater von Haitis Premierminister Bellerive.

Während in den zerstörten Straßen von Port-au-Prince das Leben weitergeht, weht auch zwei Wochen nach dem verheerenden Jahrhundertbeben der Gestank von Tod aus den Ruinen. Unter den Trümmern liegen noch zahllose Leichen. Eine Suchexpertin aus dem Libanon zeigt auf die Reste des Kinderkrankenhauses Nos Petits Frères et Soeurs (Unsere kleinen Brüder und Schwestern) und sagt: "Dort liegen mehr als 300 Kinderleichen. Wir haben drei gefunden, aber keiner will sie bergen. Wer hätte dafür auch jetzt schon Zeit."

Die Situation könnte sich in den kommenden Wochen noch verschärfen, wenn die Regensaison beginnt und die vielen Flüchtlingslager in schlammige Elendsviertel verwandelt. Vor allem Zelte und schützende Plastikplanen seien daher jetzt nötig, sagte der Sprecher des Katholischen Rettungsdienstes CRS dem amerikanischen Nachrichtensender CNN.

Seit dem verheerenden Beben wurden nach Angaben des US-Außenministeriums rund 360 Waisenkinder aus Haiti in die USA in Sicherheit gebracht. Sie sollen so schnell wie möglich in Zusammenarbeit mit Adoptionszentren in neuen Familien untergebracht werden.