Hamburg/Washington. Der 97 000 Tonnen verdrängende Flugzeugträger "USS Carl Vinson" hielt Kurs auf Haiti, dazu ein Amphibienschiff mit 2000 Marineinfanteristen an Bord. Riesige amerikanische C-17-Transportflugzeuge schweben auf dem überforderten Flughafen von Port-au-Prince ein, der bereits vom US-Militär übernommen wurde. Am Himmel über Haiti kreisen US-Hubschrauber.

Nur eine halbe Stunde nach ersten Schreckensmeldungen über ein schweres Erdbeben hatte US-Präsident Barack Obama eine der aufwendigen Hilfsaktionen in der Geschichte der USA anlaufen lassen und 100 Millionen Dollar Soforthilfe zugesagt. Seine beiden Vorgänger George W. Bush und Bill Clinton hat Obama als Sonderbotschafter mit der Aufgabe betraut, private Spenden einzutreiben. "Schnell, koordiniert und aggressiv" - so soll die US-Reaktion auf die Katastrophe in Amerikas Hinterhof wahrgenommen werden, hat Obama gefordert.

Der Präsident hat seine guten Gründe dafür. Zum einen fürchtet Obama einen gewaltigen Flüchtlingsstrom Richtung USA, falls den Menschen auf Haiti nicht sehr schnell geholfen werde. Vor allem aber: Die letzte verheerende Naturkatastrophe in dieser Region, der Hurrikan "Katrina" von 2005, der 1800 Menschen tötete, wurde von der Regierung unter George W. Bush praktisch verschlafen. Der Schatten dieses Jahrhundert-Versagens liegt immer noch über dem Weißen Haus - auch wenn sein Hausherr jetzt Obama heißt. Vom "Echo" der "Katrina"-Katastrophe sprach Paul Light, Professor der New York Universität gegenüber dem US-Sender "ABC News".

In der amerikanischen Hilfe liege daher ein Risiko für den Präsidenten. Barack Obama will zeigen, dass er - anders als Bush - nicht versagt und Amerika wieder als Hilfsnation Nummer eins wahrgenommen wird. Sein Sprecher Robert Gibbs ließ durchblicken, dass Obama sein Team im Krisenraum des Weißen Hauses Tag und Nacht durcharbeiten lasse.

Nicht jedem gefällt dieser karitative Eifer. Einige seiner schärfsten Kritiker vom rechten politischen Rand fielen Obamas Hilfs-Anstrengungen und seinen Aufrufen zu großzügigen Spenden mit geschmacklosen Kommentaren in den Rücken - und lösten damit eine hitzige Debatte in den USA aus. Der prominente erzkonservative Fernsehprediger Pat Robertson schob den Haitianern sogar selber die Schuld an dem Desaster zu. Mit Blick auf den verbreiteten Voodoo-Kult auf der Insel sagte Robertson im US-Sender CBN, das Erdbeben sei eine Strafe Gottes als Folge des "Paktes mit dem Teufel", den die Haitianer geschlossen hätten. Er bezog sich auf eine Legende, nach der die schwarzen Sklaven auf Haiti 1791 einen Bund mit dem Satan eingegangen seien - als Gegenleistung für die Befreiung vom französischen Joch. Der ebenfalls sehr prominente und erzkonservative Radio- und Fernsehmoderator Rush Limbaugh sagte in seiner Show, die jede Woche bis zu 20 Millionen Amerikaner erreicht, die Katastrophe sei "wie bestellt" für Obama. Dieser könne nun mit den Hilfsaktionen seine Glaubwürdigkeit bei der "hellhäutigen und dunkelhäutigen schwarzen Gemeinschaft" aufpolieren und sich als "mitfühlend" aufspielen. Hilfe für Haiti bringe nur Wählerstimmen für Obama ein. Im Übrigen hätten die Amerikaner schon genug gespendet: "die US-Einkommenssteuer". Limbaugh meinte boshaft, für Bill Clinton sei dies der falsche Job, weil man in Haiti keine Prostituierte ohne Aids-Risiko aufgabeln könne. Die schwarze Kongressabgeordnete und Haiti-Expertin Barbara Lee nannte die Äußerungen im Sender "MSNBC" "widerwärtig".