London. Während weltweit das Thema des islamischen Terrorismus, mit dem Jemen als jüngstem Unterschlupf der al-Qaida, erneut ins Bewusstsein dringt, heizt eine islamistische Gruppierung in Großbritannien das Beunruhigungspotenzial weiter an. Anjem Choudary, Anführer der Gruppe Islam4UK (der Islam für das Vereinigte Königreich), ein selbst ernannter Imam und ehemaliger Rechtsanwalt, plant einen Protestmarsch, auf dem leere Särge als Symbol für "ermordete Unschuldige in Afghanistan" dienen und auf "die eigentlichen Terroristen, die amerikanischen und britischen Besetzer eines muslimischen Landes", hinweisen sollen.

Besonders anstößig an diesem Plan ist in den Augen eines überwältigenden Teils der Öffentlichkeit sowie moderater muslimischer Organisationen, dass die Demonstration in dem in der Grafschaft Wiltshire gelegenen Städtchen Wootton Bassett stattfinden soll. Dort werden seit sechs Jahren die gefallenen britischen Soldaten heimgeführt und durch stummen Salut der Bevölkerung geehrt - auf der Fahrt von einem Militärflughafen in der Nähe zur Obduktion in Oxford und danach zu ihren jeweiligen Heimtatadressen.

Wootton Bassett gilt inzwischen als "Highway of Heroes", als Straße der Helden, deren Opfer und Einsatz die Nation bei jeder Überführung in Trauer vereint. Das Land hat seit Beginn des Krieges 246 seiner Soldaten verloren, fast alle seit 2006, als die britischen Operationen in der südafghanischen Provinz Helmand begannen.

Stellvertretend für viele hat Premierminister Gordon Brown inzwischen den Plan der Gegendemonstration als "absolut unpassend" gegeißelt und anstößig für das Empfinden der Familien von in Afghanistan getöteten und verwundeten Soldaten. Er sei entsetzt allein bei dem Gedanken an einen solchen Protestmarsch ausgerechnet in Wootton Bassett. Seinen "Ekel" äußerte auch Innenminister Alan Johnson, der dem Islam4UK vorwarf, den Ort gezielt ausgewählt zu haben, um Hass zu schüren. Er werde jeden Versuch, die Demonstration zu verbieten, unterstützen. Ein solches Verbot ist möglich, falls die Gemeinde Wootton Bassett und die örtliche Polizei zu dem Schluss kommen, der Protestzug könne zu Gewalt und öffentlichen Ausschreitungen führen. Anjem Choudary nennt seine Gruppe "eine Abzweigung von al-Muhajiroun", der 2006 verbotenen radikalen Organisation. Den Plan, in Wootton Bassett zu demonstrieren, hat er selber als "Publicity Stunt" bezeichnet, der seinem Anliegen mehr Aufmerksamkeit sichere, als wenn der Protestmarsch irgendwo anders stattfinden würde.

Dass ein Anjem Choudary in England überhaupt noch agieren kann, trifft auf wachsendes Unverständnis. Zwar praktiziert England unter allen westlichen Ländern das wohl am weitesten ausgelegte Recht auf Rede- und Demonstrationsfreiheit, doch gibt es inzwischen Anti-Terrorgesetze, die Anstiftung zum Hass und andere öffentliche Verunglimpfungen unter Strafe stellen. Gerade in diesen Tagen müssen sich sechs radikale Muslime vor einem Gericht in Luton verantworten, die im März 2009 eine Parade heimkehrender Truppen mit Rufen wie "Baby Killers" und "Meuchler" schmähten. Ähnlich äußerste sich damals Choudary auf einer islamistischen Website, wo er britische Soldaten als "brutale Mörder" bezeichnete.