Staatlicher Zerfall, Armut, Analphabetentum und religiöser Fanatismus: Im bergigen Gelände Südarabiens haben al-Qaida und verbündete Terrororganisationen eine neue Basis gefunden. Unterstützt werden sie von den Schabaab-Milizen aus Somalia. Die Zentralregierung in Sanaa ist machtlos.

Hamburg. Im Jemen brodelt es gewaltig, doch kein starker Mann oder Staat ist in Sicht oder in der Lage, die an allen Ecken und Enden des Landes aufbrechenden Brand- und Gefahrenherde einzudämmen oder gar austreten zu können. Stammeskonflikte in mehreren Provinzen und Regionen, Aufständische im Norden, Separatisten im Süden und Al-Qaida-Terroristen, die in den wilden Bergregionen des Landes ein ähnlich unzugängliches Versteck und folglich ideales Operations- und Rückzugsgelände wie in der Bergwelt Afghanistans vorfinden. So sieht es heute im Lande aus.

Geriet der Jemen bis vor wenigen Jahren immer wieder in die Schlagzeilen wegen spektakulärer Entführungsfälle, bei denen skrupellose Stammesführer ihre ausländischen Geiseln zur Durchsetzung eigener Forderungen nach Land, Öl und Macht gegenüber der Regierung zwar zur Erpressung missbraucht, aber stets auch am Leben gelassen hatten, so hat sich die Sicherheitslage jetzt erheblich verschärft. Auf glimpflichen Ausgang darf heute niemand mehr hoffen, der zur Zielscheibe von Anschlägen wird.

Noch im Juni 2007 konnte man nach diversen Militärkontrollen und unter Polizeieskorte den von deutschen Archäologen vorbildlich restaurierten Mondtempel von Marib bewundern. Drei Wochen später ging das ohnehin ramponierte Image des Jemen restlos zum Teufel, als nach einem Bombenanschlag am gleichen Ort sieben spanische Touristen und ein einheimischer Fahrer ermordet wurden.

Seither hat die Gewalt durch die terroristischen Aktivitäten radikalislamischer Fundamentalisten eine neue und schreckliche Qualität erreicht. Kaum ein Monat vergeht ohne blutige Anschläge. Verantwortlich dafür - ein jemenitisch-saudischer Ableger der al-Qaida unter Führung des Jemeniten al-Wahaischi, der im Februar 2006 zusammen mit 22 anderen Terroristen aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Sanaa freigekommen war. Auch in Somalia, vom Jemen nur durch den Golf von Aden getrennt, sind die Extremisten zunehmend aktiv und unterstützen die Terroristen im Jemen.

Der Jemen war einst ein Märchenland aus Tausendundeiner Nacht im Süden der Arabischen Halbinsel, authentisch und traditionell wie kaum ein anderes Stück Arabien. Mit architektonischen Wunderwerken wie der Hauptstadt Sanaa, die mit ihren Zuckerbäckerfassaden ebenso auf der Weltkulturerbe-Liste steht wie Shibam im Wadi Hadramaut, mit etwa 500 altarabischen Wolkenkratzertürmen, auch als Chicago oder Manhattan der Wüste gepriesen. Anders als anderswo in Arabien ist vom einstigen sagenhaften Reichtum des Arabia Felix an der antiken Seidenstraße allerdings nicht nur nichts geblieben; es kam auch kein neuer, zum Beispiel durch Öl gespeister. Jeder Zweite der 22 Millionen Einwohner ist Analphabet, mehr als ein Drittel sind arbeitslos. Die ständigen Konflikte der schwachen Zentralregierung mit einigen der über 100 Stämme sowie den Aufständischen in der Region Saada tun ihr Übriges zur Destabilisierung des Landes.

Schon einmal stand der Jemen im Brennpunkt des Terrorismus: Die einst mit der deutschen RAF verbündete palästinensische Terrororganisation PFLP-SC unterhielt in den 70er-Jahren im Südjemen ein Ausbildungscamp.

Dort trainierten Angehörige der RAF, darunter Verena Becker und Peter-Jürgen Boock, der Bewegung 2. Juni, der Revolutionären Zellen sowie baskische, irische und sogar holländische Terroristen. Christian Klar, einer der Buback-Attentäter, lernte hier unter anderem den Umgang mit der Panzerfaust. Auch Johannes Weinrich, die rechte Hand des internationalen Terror-Paten Carlos, wurde hier an Waffen ausgebildet.