Brüssel. Nur wenige Tage nach dem Verhandlungsmarathon des Kopenhagener Klimagipfels steht Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) die Erschöpfung noch ins Gesicht geschrieben. Das Treffen in Brüssel mit seinen europäischen Amtskollegen so kurz vor Weihnachten ist seit Monaten ausgemacht, und wäre alles nach Plan verlaufen, hätten die 27 Minister gestern das Hohe Lied auf ein neues Abkommen zur Eindämmung der gefährlichen Erderwärmung singen können. Doch nach beispiellosen Wortschlachten ist die Weltklimakonferenz von 193 Staaten am Wochenende spektakulär gescheitert, und zu denen, die sich besonders schmerzhafte Wunden lecken müssen, zählen die Europäer.

Darum muss Röttgen nun die undankbare Aufgabe übernehmen, zu erklären, wie es weitergehen könnte. Unbeirrt stimmt der Minister in Europas Lobgesang auf die Vereinten Nationen ein. Die Alternative sei, dass einzelne Länder aus Machtpositionen heraus für den Rest handelten, warnt Röttgen.

Da aber genau das in Kopenhagen geschehen ist und der im Endeffekt von Chinas Regierungschef Wen Jiabao und US-Präsident Barack Obama ausgehandelte butterweiche Kompromiss im Uno-Plenum im Wortsinn in der Luft zerrissen wurde, mehren sich jetzt die Rufe nach Reformen der Uno-Prozesse ebenso wie der europäischen Verhandlungsstrategie.

Europa müsse nach der "Katastrophe von Kopenhagen" voranschreiten, forderte der schwedische Umweltminister Andreas Carlgren. So klar wie er benannte den Misserfolg bisher kaum ein europäischer Politiker. Der Weltklimagipfel hatte am Wochenende lediglich eine politische Erklärung von 25 Staaten zur Kenntnis genommen, wonach die Erderwärmung auf zwei Grad begrenzt werden soll.

In Ländern wie Frankreich und Belgien wird der Ruf nach einer Kohlendioxid-Steuer (CO2-Steuer) an den EU-Außengrenzen lauter. Sie könne Wettbewerbsnachteile für die europäische Industrie verhindern, sagte der belgische Umweltminister Paul Magnette der Zeitung "Le Soir". Die Klimazölle richten sich gegen Länder wie China, die deutlich schwächere Umweltauflagen haben. Röttgen aber warnt schon vor "staatlichem Dirigismus". Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich bisher zurückhaltend. Zwar forderte die Kanzlerin bereits im September in einem gemeinsamen Schreiben mit dem französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy von der Uno "angemessene Ausgleichsmaßnahmen" von Ländern, die sich einem internationalen Klima-Abkommen verweigern. Doch als klares Votum Merkels für Klimazölle wollte dies nur der Élysée-Palast verstanden wissen.

Wer also soll das Klima retten, wenn es die EU nicht tut? Die Bundesregierung will auch politisch vorankommen. Ihre Hoffnungen richtet sie nun auf die Uno-Klimakonferenz Ende 2010 in Mexiko und das vorbereitende Ministertreffen im Juni in Bonn. Deshalb fällt Röttgens Bilanz von Kopenhagen auch optimistischer aus als die seines schwedischen Kollegen Carlgren: "Es ist eine große Enttäuschung, aber es ist auch noch nichts verloren."