Moskau. Die Nato und Russland haben nach dem Georgien-Krieg im vergangenen Jahr jetzt einen Neuanfang in den Beziehungen gestartet. Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen sprach zum Abschluss seines dreitägigen Besuchs in der russischen Hauptstadt von einer neuen Phase in den Beziehungen.

Die Nato, wiederholte er bei jeder sich bietenden Gelegenheit, betrachte Russland nicht als Feind. Zur Bekräftigung regte er vor Studenten an, Russland und das westliche Bündnis sollten bis 2020 eine gemeinsame Raketenabwehr aufbauen. "Das würde uns nicht nur vor Atomwaffen schützen, sondern auch politisch verbinden", sagte er. Auch Russlands Präsident Dmitri Medwedew, der Rasmussen im Kreml empfangen hatte, machte bei der Gelegenheit "ein neues Niveau" in den Beziehungen aus.

Der von beiden Seiten demonstrierte gute Wille hob indes die problematischen Aspekte der Partnerschaft nicht auf. Es gebe weiterhin Bereiche, in denen Russland und die Nato unterschiedlicher Ansicht seien, räumte Rasmussen im Gespräch mit dem Rundfunksender Echo Moskwy ein. In prinzipiellen Fragen werde das Bündnis keine Kompromisse eingehen, kündigte er an. Im Verlaufe seiner Begegnungen in Moskau machte er deutlich, dass für die Nato eine Anerkennung Südossetiens und Abchasiens nicht infrage komme. Vielmehr bestehe das Nordatlantische Bündnis auf der territorialen Einheit Georgiens.

Es gebe aber auch viele Bereiche, "in denen wir Sicherheitsinteressen teilen", sagte er und nannte den Terrorismus und die Lage in Afghanistan. Medwedew hatte zuvor die Verbrechensbekämpfung und die Piraterie als Felder des gemeinsamen Vorgehens genannt.

Zu einem Prüfstein für die "neue Qualität" der Beziehungen könnte sich Afghanistan entwickeln, wo das westliche Bündnis auf eine größere Unterstützung durch Russland drängt. Rasmussen möchte das Land im kommenden Jahr zum "Kernstück unserer Kooperation" gestalten. Außenminister Sergej Lawrow versprach, dass sein Land sich bei der Ausbildung von Drogenbekämpfern - die bereits schon jetzt stattfinde - sowie von afghanischen Polizisten in Russland noch stärker engagieren werde. Auf Rasmussens Bitte um russische Hubschrauber für die afghanische Armee, um Pilotenausbildung und Treibstoff reagierte Medwedew allerdings sehr verhalten. Er werde seine Regierung beauftragen, diese Wünsche zu "prüfen".

In Russland ist der Wunsch, sich nach dem Rückzug aus Afghanistan vor 20 Jahren dort erneut militärisch zu engagieren, nicht sehr ausgeprägt. Die sowjetische Armee hatte in ihrem zehn Jahre dauernden Kampf zwischen 1979 und 1989 insgesamt 15 000 Soldaten verloren, eine Million Afghanen getötet und musste dann doch unverrichteter Dinge wieder abziehen.

Die Ausweitung der Operation in Afghanistan - US-Präsident Barack Obama will seine Truppen um 30 000 Mann aufstocken - erfordert aus Sicht der Allianz auch erweiterte Transitmöglichkeiten. Rasmussen ließ seine russischen Partner wissen, dass die Nato die bisher gültigen Transitvereinbarungen für den Landtransport auch auf "letale" Güter wie Waffen und Munition ausweiten möchte. Das 2008 unterzeichnete Abkommen erlaubt nur den Transit von "nicht letalen" Gütern auf dem Schienenweg.

Auf keinen gemeinsamen Nenner kamen Rasmussen und seine russischen Gesprächspartner bei dem von Medwedew vorgeschlagenen neuen Sicherheitsvertrag für Europa. Der Nato-Chef lehnte es ab, Medwedews Sicherheitspakt zu einem Thema der Allianz zu machen. Der Westen werde Medwedews Vorschläge analysieren, aber "das richtige Forum dafür ist die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa".

Medwedew hatte seinen Entwurf für einen "Vertrag für europäische Sicherheit" auf der Website des Kreml veröffentlichen lassen. Dessen eigentliches Ziel ist es, die Allianz daran zu hindern, neue Mitglieder aufzunehmen. Besonders eine mögliche Nato-Mitgliedschaft der Ukraine und Georgiens ist für Moskau nicht hinnehmbar.