Hamburg/London. Im Jahre 1859 kam der amerikanische Commodore Josiah Tattnall in den Opiumkriegen einem britischen Kanonenboot im Kampf gegen chinesische Truppen zu Hilfe. Es war das erste Mal in der Geschichte, dass britische und amerikanische Streitkräfte Seite an Seite kämpften. Sie taten es seitdem in zahlreichen Kriegen; der britische Kriegspremier Winston Churchill, Sohn einer Amerikanerin, prägte 1946 den berühmt gewordenen Begriff der "Special Relationship". Diese "besonderen Beziehungen" waren auch der Hintergrund dafür, dass sich die britische Armee im Jahre 2003 am US-Feldzug gegen den Irak beteiligte. Offiziell war die militärische Zusammenarbeit reibungslos. Doch Geheimdokumente der britischen Regierung, die dem Londoner "Daily Telegraph" zugespielt wurden, sprechen eine ganz andere Sprache. Der Zeitpunkt der brisanten Enthüllung ist heikel: Heute beginnen in London die Anhörungen zum britischen Irak-Feldzug. Ein von Premier Gordon Brown eingesetzter Untersuchungsausschuss unter Sir John Chilcot soll Lehren aus dem Krieg ziehen.

Zwischen Mai 2003 und Mai 2004 hatte die damalige Regierung Interviews mit britischen Front-Kommandeuren geführt und Berichte über deren Erfahrungen anfertigen lassen.

Aus ihnen geht eine Feindseligkeit zwischen den britischen und amerikanischen Streitkräften hervor, wie sie so wohl noch niemals geschildert worden ist.

So bezeichnete der britische Stabschef im Irak, Oberst J. K. Tanner, die amerikanischen Militärführer als einen Haufen von "Marsmenschen", denen "Dialog völlig fremd" sei. Tanner sagte laut Bericht weiter: "Das ganze System war erschreckend. Wir hatten große Schwierigkeiten im Umgang mit den amerikanischen Militärs und zivilen Organisationen, die - teils aufgrund von Arroganz, teils aufgrund von Bürokratie - diktierten, dass es nur einen Weg gebe: den amerikanischen Weg." Der Oberst fügte hinzu: "Ich habe jetzt begriffen, dass ich Europäer bin, kein Amerikaner." Die Briten seien mit ihren europäischen Partnern und sogar mit den Arabern weit besser ausgekommen als mit den Amerikanern. "Europäer reden miteinander, während Dialog dem US-Militär fremd ist."

Tanners Vorgesetzter, Generalmajor Andrew Stewart, damals oberster Kommandeur der britischen Truppen im Irak, sagte: "Als einzige Supermacht gestatten die USA nicht, dass ihre Position angefochten wird. Verhandlung ist für sie ein schmutziges Wort." Stewart räumte ein, er habe "einen beträchtlichen Teil meiner Zeit" darauf verwendet, amerikanische Befehle zu unterlaufen. So habe er sich geweigert, auf US-Befehl gegen die Mahdi-Armee des mächtigen Schiiten-Predigers Muktada al-Sadr vorzugehen. Daraufhin wurde der britische Botschafter in Washington, Sir David Manning, ins US-Außenministerium zitiert, um getadelt zu werden - ein diplomatisch schwer wiegender Vorgang, der zwischen befreundeten Staaten unüblich ist.

Der britische Oberkommandierende in jener Zeit gab auch zu, dass der Einfluss der Briten auf amerikanische Entscheidungen "minimal" gewesen sei. Die Amerikaner hätten ihre Alliierten nicht über militärische Aktionen oder Wechsel in ihrer Strategie informiert. So sei die Festnahme eines Al-Sadr-Stellvertreters - die in einem blutigen Aufstand resultierte - nicht mit den Briten abgesprochen worden, wie Brigadegeneral Nick Carter berichtete. Seine ganze Operationsplanung sei daraufhin "in Rauch aufgegangen". Wie Tanner sagte, habe sich der US-Oberkommandeur im Irak, General Rick Sanchez, in sieben Monaten nur ein einziges Mal bei den britischen Verbündeten blicken lassen.