Paris. Helmut Kohl und François Mitterrand Hand in Hand in Verdun - das war erst fünf Jahre her, als 1989 die Berliner Mauer fiel. Eine ähnliche symbolträchtige Geste zur deutschen Wiedervereinigung gab es aber nicht, im Gegenteil, zu Deutschlands Enttäuschung hielt das Nachbarland sich zurück. Noch ablehnender reagierte die damalige britische Premierministerin, Margaret Thatcher, auf die Grenzöffnung. Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls gewähren Frankreich und Großbritannien jetzt Einblick in ihre diplomatischen Archive und lassen die Stimmung der damaligen Zeit aufscheinen.

Eine Wiedervereinigung des geteilten Deutschlands sei "derzeit nicht wirklichkeitsnah", glaubten französische Diplomaten noch im Oktober 1989, wie in den jetzt veröffentlichten Dokumenten zu lesen ist. Der sozialistische französische Präsident reiste sogar noch Wochen nach der Grenzöffnung, im Dezember, zu einem Staatsbesuch in die DDR.

Im Januar 1990 soll Mitterrand noch von der drohenden Wiederkehr der "schlechten Deutschen" gesprochen haben, die sich Gebiete zurückholen könnten, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg verloren geben mussten. Deutschland könne dann sogar größer "als unter Hitler" werden, wird er in den britischen Archiven zitiert, die seit September einsehbar sind. Auf rund 600 Seiten ist dort zu lesen, was das britische Außenamt an seine Diplomaten schrieb und was die Auslandsdiplomaten nach London meldeten.

Großbritannien grauste vor einem wiedervereinigten Deutschland. Schon jetzt sei die Bundesrepublik "in wirtschaftlicher Hinsicht zu fürchten", sagte Thatcher im März 1990 bei einem Abendessen mit französischen Unternehmern in London. Wiedervereint würde es "die stärkste Kraft Europas" werden und die kleineren Länder im Osten in seinen Bannkreis ziehen.