US-Präsident Barack Obama wartet offenbar auf eine Eingebung. Und die Nato wartet auf Obama. Entschlossene Entscheidungsfindung sieht wohl anders aus, aber in der Frage zusätzlicher Truppenentsendungen nach Afghanistan steht eben sehr viel auf dem Spiel.

Hamburg/Bratislava. Am Hindukusch sind die Taliban auf dem Vormarsch; seit Wochen liegt die Anforderung des amerikanischen Afghanistan-Oberkommandeurs Stanley McChrystal nach mindestens 40 000 weiteren US-Soldaten auf dem Tisch. Doch Obama zögert, dem Wunsch zu entsprechen; die Mehrheit der Amerikaner ist mittlerweile gegen den Krieg am Hindukusch und die Zustimmung für seine Politik ist seit April von 62 auf bedenkliche 53 Prozent gesunken - der tiefste Popularitäts-Fall eines US-Präsidenten in einem vergleichbaren Zeitraum in 50 Jahren.

Kein Wunder, dass Obama sich schwer damit tut, Zehntausende junger Amerikaner in die afghanische Blutmühle zu schicken - zumal er gerade den Friedensnobelpreis zugesprochen bekommen hat. Zudem sind auch sein Kabinett und Beraterstab zutiefst über die Frage zerstritten, ob die Aufstockung überhaupt sinnvoll ist.

Und kein Wunder auch, dass sich die Verbündeten der USA nicht eben beeilen, ihrerseits der Forderung Washingtons nach mehr Truppen nachzukommen. Auf ihrer zweitägigen informellen Tagung im slowakischen Bratislava konnten die Verteidigungsminister der Allianz am Freitag jedenfalls keine Entscheidung treffen und vertagten diese Frage kurzerhand. Der niederländische Minister Eimert van Middelkoop erklärte, es sei "weise", zunächst die Präsidentschafts-Stichwahlen in Afghanistan am 7. November und die ausstehende Entscheidung Obamas abzuwarten.

Der dänische Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen fasste das Fazit der Tagung in die zackige Formulierung "Strategie zuerst, Truppenzahlen später" zusammen.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) ließ die Verbündeten schon mal wissen, dass Deutschland zumindest bis zum Jahresende an seiner derzeitigen Kontingent-Obergrenze von 4500 Soldaten festhalten werde. Nach der für Ende Dezember geplanten Afghanistan-Konferenz wolle man "neu nachdenken", sagte Jung. Damit stieß die Forderung auch des Uno-Sondergesandten für Afghanistan, Kai Eide, nach mehr Truppen in Bratislava ins Leere.

Immerhin konnten sich die 28 Allianzpartner auf den strategischen Ansatz von US-General McChrystal verständigen - nämlich die Verantwortung für Afghanistan schrittweise an die lokalen Sicherheitskräfte zu übergeben. "Wir können in Afghanistan nicht für immer die Hauptverantwortung tragen", betonte Rasmussen. "Das will niemand." Doch der Weg zu einer geordneten Übergabe dieser Verantwortung ist noch steil und steinig.

McChrystal hält dafür nämlich die Aufstellung und Ausbildung von insgesamt 400 000 afghanischen Soldaten und Polizisten für notwendig. Das ist das Doppelte der bisherigen Planungen - und weit entfernt von der derzeitigen Realität. Wann Barack Obama eine Entscheidung fällen wird, ist noch unsicher. Sein Verteidigungsminister Robert Gates gab aber einen zeitlichen Hinweis: Der Präsident wolle in den kommenden zwei bis drei Wochen "konkrete Optionen" prüfen.