Es sind nur “technische Gespräche“, doch sie haben es in sich. In Wien wollen heute und morgen die USA, Frankreich und Russland mit Teheran ein Atomgeschäft regeln, das die Tür zu einer Einigung im Atomwaffenstreit öffnet und damit auch Israel von einem Militärschlag gegen den Iran abhält.

Hamburg. Es geht um einen Tausch: Der Iran liefert sein bereits angereichertes Uran zu großen Teilen ab und bekommt dafür dringend benötigten Kernbrennstoff für seinen Forschungsreaktor. Der Deal soll Vertrauen schaffen, um den Streit um die Urananreicherung im Iran zu entschärfen.

Der wurde Ende September angeheizt, als Präsident Mahmud Ahmadinedschad zugeben musste, dass sein Land eine zweite Urananreicherungsanlage baut. Nun will er Inspektoren der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) in die Anlage hineinlassen. Ein Erfolg der Rüstungskontrolle. Sie bildet einen Arbeitsschwerpunkt beim Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg (IFSH). Dort warnen die Experten: Der Erfolg im Iran darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es die Rüstungskontrolle immer schwerer hat. Zwar verbessern sich ihre technischen Möglichkeiten, heimliche Atomwaffenprogramme aufzudecken. Doch parallel verbreitet sich die Kerntechnik, macht die Situation zunehmend unübersichtlicher.

Immerhin spiele die Komplexität der Logistik und Technik zum Atomwaffenbau den Kontrolleuren in die Hände, sagt Dr. Oliver Meier, Rüstungskontrollexperte beim IFSH: "Es wird immer schwerer für Staaten, die Atomtechnik widerrechtlich militärisch nutzen wollen, ihre Lügengebäude aufrechtzuerhalten. Denn heute gibt es so viele unterschiedliche Informationsquellen, dass sehr schnell Widersprüche auftauchen, wenn offizielle Angaben nicht korrekt sind."

Solche Angaben fordert die Uno-Behörde IAEA von Staaten, die Atomtechnik zur Stromproduktion einsetzen. Die 2200 Mitarbeiter starke Behörde mit Sitz in Wien kontrolliert die Einhaltung des Atomwaffensperrvertrags (Nuclear Non-Proliferation Treaty, NPT) aus dem Jahr 1968, den inzwischen 188 Staaten unterzeichnet haben. Er steht für eine Gratwanderung der Friedenspolitik: Der NPT verpflichtet zwar die fünf offiziellen Atommächte USA, Sowjetunion, China, Großbritannien und Frankreich dazu, ihr Arsenal abzurüsten, gesteht ihnen aber den Besitz von Kernwaffen zu. Im Gegenzug sollten es die Industrieländer den Entwicklungsländern ermöglichen, die Kernenergie friedlich zu nutzen. Doch viele technische Komponenten, etwa die Zentrifugen zur Urananreicherung, lassen sich sowohl friedlich als auch militärisch verwenden.

Trotz NPT haben Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea inzwischen den Reigen der Atomwaffenstaaten erweitert. Die Experten der IAEA sollen nun sicherstellen, dass nicht noch mehr Nationen in den Besitz von Atomwaffen gelangen. Wer Kerntechnik nutzt, aber keine -waffen besitzt, muss seine Aktivitäten gegenüber der IAEA deklarieren. Die Kontrolleure werden dann zunächst zu Buchhaltern: Sie registrieren alle Mengen und Standorte von Material, das zum Bau von Bomben taugt. Dann schauen sie vor Ort nach, ob das Material tatsächlich vorhanden ist, um sicherzugehen, dass nichts in dunkle Kanäle gerät. Dabei gab es immer wieder Differenzen zwischen Soll und Ist.

Zusätzlich zur Buchhaltung versuchen die IAEA-Experten herauszufinden, ob ein Staat Atomprojekte verfolgt, die er nicht gemeldet hat. Bei der Kontrolle helfen Satellitenbilder und Luftaufnahmen, chemische Analysen, öffentlich zugängliche Berichte. Den Experten des IAEA-Labors im niederösterreichischen Seibersdorf (180 Mitarbeiter) reichen geringste Spuren von verdächtigen Substanzen, um daraus Schlüsse zu ziehen. Inspektoren nehmen in Anlagen zur friedlichen Nutzung von Kernenergie Wischproben und untersuchen sie auf Substanzen, die auf Missbrauch der Technik hindeuten. Sie sammeln Umweltproben (Wasser, Boden, Pflanzen) und suchen auch dort nach solchen Substanzen. Meier nennt das Beispiel Syrien: Israel bombardierte 2007 dort eine dubiose Anlage. Zuvor wiesen Satellitenbilder darauf hin, dass der Industriekomplex am Euphrat ein in Bau befindlicher nordkoreanischer Reaktor war. "Syrien ließ die Kontrolleure ins Land. Die nahmen Bodenproben. In Seibersdorf entdeckten sie ein Uran-Isotop, das nur künstlich produziert worden sein kann, und dass es wahrscheinlich auch chemische Bearbeitungsschritte gab. Das hatte Syrien zuvor abgestritten."

Die Vernetzung von Nordkorea und Iran berge eine neue Herausforderung an die Überwachung, so Meier: "Es ist durchaus denkbar, dass Nordkorea seine nuklearen Aktivitäten auslagert, nach dem Motto: Im eigenen Land stehen wir unter zu starker Kontrolle, also machen wir das in der syrischen Wüste."

Das begrenzte Jahresbudget der IAEA von 300 Millionen Euro führe dazu, dass die technischen Möglichkeiten zur Rüstungskontrolle bei Weitem nicht ausgeschöpft werden können, kritisiert der Politikwissenschaftler. Erst durch das Zusammenspiel der IAEA-Experten, der Geheimdienste, von unabhängigen Instituten und von Oppositionellen in den Staaten ist es möglich, Lügengebäude zum Einsturz zu bringen. So wie jetzt beim Iran.