Die UNO und die Welthungerhilfe legen neue dramatische Zahlen vor. Die Wirtschaftskrise hat verheerende Folgen für die Ärmsten der Welt. In 29 Ländern ist die Hungersituation ernst, vor allem im Kongo.

Hamburg. Die Uno schlägt Alarm: Noch nie haben so viele Menschen gehungert wie derzeit. Mehr als eine Milliarde Menschen leiden weltweit an Hunger und Unterernährung. Das ist statistisch gesehen jeder sechste Mensch auf der Erde. Diese dramatischen Zahlen hat die Uno-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) gestern verkündet. Ihr Bericht ist damit ein Beleg des Scheiterns.

Denn noch im Jahr 2000 hatten die Vereinten Nationen in ihren Millenniums-Zielen angestrebt, den Hunger bis zum Jahr 2015 zu halbieren. Die Realität sieht anders aus. Die Zahl der unterernährten Menschen steigt unaufhörlich an. Derzeit sind es 1,02 Milliarden Menschen, vor einem Jahr waren es noch 963 Millionen.

Hauptgrund für die Entwicklung sei die Weltwirtschaftskrise, erklärte die FAO. Weil die Entwicklungsländer stärker in die Weltwirtschaft integriert seien als noch vor 20 Jahren, seien sie auch viel anfälliger für Krisen auf den internationalen Märkten. "Die gegenwärtige Krise ist beispiellos", sagte Jacques Diouf, Generalsekretär der FAO, und forderte die Regierungen der Industrieländer auf, sich stärker im Kampf gegen den Hunger einzusetzen. So wie die Mächtigen der Welt schnell und kraftvoll auf die Wirtschaftskrise reagiert hätten, sei nun "derselbe starke Einsatz gefragt, um den Hunger zu bekämpfen". Nach Angaben der FAO leben 642 Millionen hungerleidende Menschen in Asien und dem Pazifischen Raum, 265 Millionen in Afrika südlich der Sahara und 53 Millionen in Lateinamerika und der Karibik. In den Industrieländern seien mit 15 Millionen Unterernährten deutlich weniger Menschen betroffen. 30 Länder seien auf Lebensmittelhilfe angewiesen, davon 20 in Afrika.

Auch die Welthungerhilfe warnte vor einer Verschärfung der Krise.

"Das 21. Jahrhundert droht zum Hungerjahrhundert zu werden", sagte Verbandspräsidentin Bärbel Dieckmann bei der Vorstellung des Welthunger-Index 2009, der zu einem ähnlichen Ergebnis wie die Uno-Untersuchung kommt. Sie wies zugleich darauf hin, dass unter den Hungernden "unverhältnismäßig viele Frauen" seien. Rund 70 Prozent der 1,4 Milliarden Armen weltweit seien Frauen und müssten mit weniger als einem Euro pro Tag auskommen. "Gleichzeitig spielen sie eine Schlüsselrolle in der Entwicklung", sagte Dieckmann. "Stärkung von Frauen ist ein Schlüssel im Kampf gegen Hunger und Armut, der noch viel zu wenig beachtet wird." Dort, wo Frauen stärkere Verantwortung übernähmen und gleichberechtigt seien, steige die Chance auf Senkung der Hungerzahlen.

Nach dem Welthunger-Index ist in 29 Ländern die Hungersituation ernst oder gravierend. Am schlimmsten ist die Lage im Kongo, wo drei Viertel der Bevölkerung hungern, gefolgt von Burundi, Eritrea, Sierra Leone, Tschad, Äthiopien. Fortschritte konnten in Südasien, im Nahen Osten und Lateinamerika erzielt werden. In geringerem Maße auch in Afrika. "Doch nach wie vor bewegt sich der Welthunger-Index auf erschreckend hohem Niveau."

Dieckmann nahm auch Deutschland in die Pflicht: Die Entwicklungshilfe des Landes dürfe vom Wirtschaftsabschwung nicht beeinträchtigt werden, sagte sie. "Deutschland hat trotz wachsender Probleme hierzulande eine globale Verantwortung."