Mit der überraschenden Forderung nach einer “Fußnote“ zum EU-Reformvertrag hat der tschechische Präsident Vaclav Klaus für neue Verunsicherung in der Europäischen Union gesorgt.

Prag. Nach der für diesen Sonnabend geplanten Unterzeichnung der Ratifizierungsurkunde durch Polens Präsident Lech Kaczynski in Warschau fehlt nun lediglich noch die Unterschrift von Klaus. Ohne sie kann der Lissabon-Vertrag nicht in Kraft treten. Dem EU-Gipfeltreffen Ende Oktober in Brüssel droht wegen des befürchteten rechtlichen Schwebezustandes erbitterter Streit.

"Ich habe verstanden, dass seine Forderung lautet, für Tschechien bei der Ratifizierung eine Vereinbarung wie für Polen und Großbritannien hinsichtlich der Grundrechte-Charta zu erreichen", sagte der polnische EU-Parlamentspräsident Jerzy Buzek am Freitag nach einem Gespräch mit Klaus in Prag. Polen und Großbritannien hatten per Protokollerklärung festgehalten, dass die im Lissabon- Vertrag verankerte Charta der Grundrechte nicht das nationale Recht infrage stelle. Einem Bericht der polnischen Zeitung "Rzeczpospolita" zufolge will Klaus Garantien gegen mögliche deutsche Eigentumsansprüche im ehemaligen Sudetenland. Nach dem Zweiten Weltkrieg war auf Grundlage der sogenannten Benes-Dekrete die deutschsprachige Minderheit in der damaligen Tschechoslowakei ohne Entschädigung vertrieben und enteignet worden. Tschechien hält bis heute an den umstrittenen Benes-Dekreten fest und lehnt die Rückgabe von Eigentum ab.

Der EU-Ratsvorsitzende, Schwedens Regierungschef Fredrik Reinfeldt sagte, Klaus wolle "eine Fußnote" zum Lissabon-Vertrag. "Aber der Präsident war in dieser Frage nicht eindeutig, er muss das erläutern." Reinfeldt übte Kritik am Versuch von Nachbesserungen am Vertragstext: "Es hat viele Gelegenheiten und jede Menge Zeit gegeben, um andere Ansichten vorzutragen."

Die EU steht bei der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags unter großem Zeitdruck: Sollte bis zum Monatsende nicht klar sein, ob der Vertrag in Kraft tritt, müsste die neue EU-Kommission nach den Regeln des geltenden Nizza-Vertrages gebildet werden. Dann müssten sich die EU-Regierungen darauf einigen, wer als Erster auf einen EU-Kommissar verzichten muss.

Eine Sprecherin der EU-Kommission machte deutlich, dass die EU-Behörde nicht Präsident Klaus, sondern die tschechische Übergangsregierung von Ministerpräsident Jan Fischer als Gesprächspartner betrachtet. Falls das tschechische Verfassungsgericht wie erwartet auch die zweite Klage gegen den Vertrag abweise, so gebe es "keinen Grund für weitere Verzögerungen".