Regierungschef fordert seine Partei zum Kämpfen auf - doch in Umfragen führen die Konservativen.

Brighton. Eine Partei, die wieder an sich glaubt - so versuchte der britische Premier Gordon Brown gestern in Brighton das Labour-Lager, seine Regierungsbasis, wieder aufzurichten. Wo angesichts miserabler Umfragewerte vor dem Parteitag allenthalben Depression geherrscht hatte, appellierte der Regierungschef an den Kampfgeist der Seinen und ermunterte sie, einen neuen Sieg bei der Unterhauswahl im nächsten Mai anzusteuern.

"Nur Kämpfer und Glaubende sind in der Lage, die Welt zu verändern", rief er unter stürmischem Beifall: "Wir haben es in der Vergangenheit bewiesen, wir werden es auch in der Zukunft wieder beweisen." Dem Appell folgte eine lange Liste von Erfolgen, die Brown der Labour-Regierung zuguteschrieb. Über die Banken des Landes sagte er, sie würden "der Gesellschaft zurückzahlen müssen, was sie ihr vor der gegenwärtigen Finanzkrise schuldig geblieben" seien.

Kämpfen, kämpfen, kämpfen - das war bereits der Tenor, den Lord Mandelson, der Business-Minister, zuvor angestimmt hatte. Der Minister, zweimal in der Blair-Ära von seinen Kabinettsposten zurückgetreten und immer wieder zurückgekehrt an die Macht, nahm sein Comeback als Beispiel, dass auch die Geschicke von Labour sich wieder wenden könnten. "Wenn ich es schaffte, können wir alle es schaffen", sagte er. Mandelson, lange von großen Teilen der Partei verachtet, gilt heute als die wichtigste strategische Stütze Browns.

Vor Brown allerdings ergriff dessen Ehefrau Sarah als eine Art Cheerleader für den nachfolgenden Premier das Wort. Sie hat ihren Mann an Beliebtheit weit überflügelt und gilt inzwischen als Geheimwaffe von Labour, eine moderne Frau und großer Fan des Twitter-Netzwerkes, auf dem sie munter zwitschert von allen Orten der Welt, an denen sie sich jeweils aufhält. Sie hat inzwischen eine feste Gemeinde von über einer Dreiviertelmillion Anhängern, die regelmäßig ihre Twitter-Seite besuchen.

Brown legte in seiner Rede größten Wert darauf, bürgernah und fürsorglich zu erscheinen, um damit den Hauptvorwurf gegen ihn und die Labour-Partei zu entkräften: dass beide den Kontakt zum gemeinen Mann verloren hätten nach zwölf kontinuierlichen Jahren an der Macht. So kündigte er neue Programme zur Entlastung bei Kosten für Kinderbeaufsichtigung und zur beschleunigten Behandlung Krebskranker an.

Brown bestand darauf, dass sein Land vor einer existenziellen Wahl stünde: die wirtschaftlich bewährte Steuerung durch ihn und seine Regierung, oder die ideologielastigen Konservativen, unerfahren und "ohne Herz" für weniger begüterte Klassen als sie selber. Breiten Raum nahm daher auch seine Wirtschaftspolitik ein, wobei er den Tories nachsagte, sie hätten in der gegenwärtigen Krise krass versagt, weil sie nur auf die Spar-Karte gesetzt hätten, während staatliche finanzielle Stimulierung das Gesetz der Stunde war und ist. Doch Brown hat einen Berg zu besteigen: Die Konservativen stehen einer jüngsten Umfrage zufolge zwölf Punkte vor Labour, wobei Letztere von den Liberalen sogar auf den dritten Platz verwiesen wird. Kämpfen und kämpfen: Der Wahlkampf ist eröffnet.