Afghanistan-Krieg, Staatsverschuldung, Spesenskandal - die britische Linke und ihr Parteichef stecken in der Krise.

Hamburg. Aufbruch klingt anders: Für die britische "Times" markiert der Parteitag der regierenden Labour Party im Seebad Brighton das Ende der Amtszeit des glücklosen Premiers Gordon Brown. Finanzminister Alistair Darling beklagt sogar, dass die Traditionspartei "ihren Lebenswillen" verloren habe. Labour ist nach zwölf Jahren aufreibender Regierungsarbeit scheinbar machtmüde. Sozialdemokraten in der Krise - auch auf der Insel.

Premier Brown wiegelt ab. Es gebe zwar "einige Schwierigkeiten", er werde sich trotzdem "nicht geschlagen geben", sagte er der britischen BBC vor seiner für heute geplanten Grundsatzrede in Brighton. "Führung ist Kampf für die Dinge, an die man glaubt." Brown allerdings ist der Einzige, der noch an sich glaubt. Damit dürfte ihm die Kraft fehlen, seiner Partei neues Leben einzuhauchen. In Umfragen ist Labour auf ihr schlechtestes Ergebnis seit 40 Jahren abgestürzt und liegt mit knapp 26 Prozent 15 Prozentpunkte hinter der konservativen Opposition.

Der wachsende Unmut über den Afghanistan-Krieg, ein bizarrer Spesenskandal im Parlament, die Begnadigung des Lockerbie-Attentäters, steigende Haushaltsverschuldung und Arbeitslosigkeit - all das lasten die Briten vor allem Brown an, der die politischen Geschicke Großbritanniens sei 2007 mit großer Ernsthaftigkeit, aber wenig Fortune lenkt. Nicht wenige sehen in Brown auch einen Schuldigen für die Finanzkrise, zumal er zehn Jahre lang Schatzkanzler war, bevor er Premier Tony Blair im Amt beerbte.

Inzwischen bemängelt der frühere Innenminister Charles Clarke ganz offen: "Unsere Führung ist schwach, unsicher und lässt Weitblick vermissen." Dabei ist Brown eben erst in den USA von der renommierten Conscience Foundation zum "Weltstaatsmann des Jahres" gekürt worden und befindet sich damit in Gesellschaft von Preisträgern wie Frankreichs Nicolas Sarkozy und Kanzlerin Angela Merkel. Brown wurde vor allem dafür geehrt, in der globalen Wirtschaftskrise stabilisierend gewirkt zu haben. Damit will er nun auch zu Hause punkten. Und mit Bankenschelte. Schon im Vorfeld seiner Parteitagsrede kündigte er ein neues Finanzregulierungssystem an, bei dem auch Banker-Boni beschnitten werden. Zudem will er die Staatsverschuldung halbieren, die Mittelschicht stärken und Labour wieder stärker im Arbeitermilieu verwurzeln.

Das ist eine große Herausforderung für Brown, der es nie vermochte, rhetorisch auch nur annähernd so zu begeistern wie sein Vorgänger Blair. Als Browns größtes Handicap aber gilt seine notorische Verdrießlichkeit - fast immer trägt der Mann eine sauertöpfische Miene zur Schau.

Einige Parteifreunde, unter ihnen Clark, haben dem Premier inzwischen einen Rücktritt nahegelegt, zumal in Großbritannien spätestens Mitte 2010 neu gewählt wird. Britische Zeitungen spekulierten, ein Rücktritt "aus gesundheitlichen Gründen" könne Brown sein Gesicht wahren lassen. Empört ließ der Premier dementieren: Die Behauptung sei "absolut lächerlich", dass ihm der Verlust der Sehkraft drohe. Als 16-Jähriger hatte er sein linkes Auge beim Rugby-Spiel verloren. Ein Rücktritt, so Brown, komme nicht infrage.