In der US-Regierung entbrennt derweil ein Streit über noch mehr Truppenverstärkungen, die das Militär fordert.

Hamburg/Washington/Kundus. Knapp zwei Wochen nach dem Bombardement von Kundus, bei dem Dutzende Taliban-Kämpfer bei einem von der Bundeswehr angeforderten US-Luftangriff ums Leben gekommen waren, haben die Aufständischen gestern 17 Kilometer südlich des deutschen Feldlagers eine Bundeswehr-Patrouille mit Panzerfäusten und Sturmgewehren angegriffen. Wie ein Sprecher des Einsatzführungskommandos in Potsdam dem Abendblatt sagte, wurde bei dem rund 40 Minuten dauernden Gefecht ein deutscher Soldat schwer am Kopf verwundet, sieben seiner Kameraden wurden leicht verletzt. Der schwer Verwundete liegt derzeit im Feldlazarett in Masar-i-Scharif, über einen möglichen Transport nach Deutschland würden die Ärzte gegebenenfalls entscheiden. Wie der Sprecher in Potsdam weiter sagte, sei ein Zug der Schnellen Eingreiftruppe (QRF), die ebenfalls von der Bundeswehr gestellt wird, zur Unterstützung ausgerückt und in einen einstündigen Kampf mit den Taliban verwickelt worden. Luftunterstützung sei von der Bundeswehr angefordert worden, doch die Kampfflugzeuge hätten keine Bomben, sondern nur Täuschkörper (Flares) abgeworfen.

Angesichts der Eskalation der Gewalt in Afghanistan hat der Generalstabschef der USA, Admiral Mike Mullen, gegenüber dem Kongress deutlich gemacht, dass noch mehr amerikanische Truppen am Hindukusch benötigt würden. Er erwarte "in der allernächsten Zukunft" ein entsprechendes Gesuch des US-Oberkommandeurs in Afghanistan, General Stanley McChrystal. Auf Nachfrage fügte er hinzu, unter "allernächster Zukunft" verstehe er "ein paar Wochen". Mullen sagte: "Es ist mir ganz klar, dass wir mehr Ressourcen benötigen, um die Strategie des Präsidenten umzusetzen." Barack Obama will die Taliban am Boden entscheidend schlagen - sowohl in Afghanistan als auch in ihren grenznahen Lagern in Pakistan. Der US-Präsident hat bereits die Entsendung von 21 000 zusätzlichen Soldaten angeordnet. Bis Jahresende werden rund 68 000 amerikanische Soldaten am Hindukusch sein. Die Rede ist nun von sechs weiteren Brigaden, das wären rund 30 000 Mann. Und mehr als 100 000 GIs sind noch im Irak stationiert.

In der US-Administration und im Kongress gibt es in dieser Hinsicht Meinungsverschiedenheiten. US-Vizepräsident Joe Biden hat nach Meldung der "New York Times" schwere Bedenken gegenüber einer weiteren Aufstockung in Afghanistan geäußert - weil dies vom eigentlichen Ziel, nämlich Pakistan zu stabilisieren, ablenke. Und Verteidigungsminister Robert M. Gates befürchtet, eine weitere Verstärkung werde die USA wie eine Besatzungsmacht aussehen lassen.

Außenministerin Hillary Clinton ist dem Vernehmen nach für noch mehr Truppen, ebenso wie Obamas Afghanistan-Sonderbotschafter Richard C. Holbrooke und der prominente Senator John McCain. Er sagte, eine Politik des "Abwartens und Zusehens" würde die katastrophalen Fehler des Irak-Krieges wiederholen. Einige Mitglieder der Regierung befürchten, dass gar nicht genug Truppen zur Verfügung stehen, um eine Entscheidung in Afghanistan zu erzwingen. Parlamentschefin Nancy Pelosi und der Senator Carl Levin äußerten Zweifel daran, dass ihre Demokratische Partei weitere Verstärkungen überhaupt mittragen würden.