Japan hat den größten politischen Umbruch seiner Nachkriegsgeschichte vollzogen: Der bisherige Oppositionsführer Yukio Hatoyama ist zum neuen Ministerpräsidenten gewählt worden.

Tokio. Das nationale Parlament stimmte mit der Mehrheit der Demokratischen Partei Japans (DPJ) für den 62-jährigen Reformpolitiker.

Hatoyama hatte die DPJ Ende August zu einem historischen Sieg bei der Wahl zum Unterhaus geführt. Die Partei beendete die mehr als 50 Jahre fast ununterbrochen andauernde Regierung der Liberaldemokratischen Partei (LDP) des bisherigen Ministerpräsidenten Taro Aso.

Hatoyama stammt aus einer Politikerfamilie: Sein Großvater war Premier, sein Vater Außenminister, sein Bruder, der der LDP angehört, war Innenminister. Reich wurde die Familie durch den von ihr gegründeten Reifenkonzern Bridgestone. Der neue Ministerpräsident kam erst spät in die Politik. Der studierte Ingenieur trägt Titel der Elite-Uni Tokio und der US-Universität Stanford und lehrte jahrelang Ingenieurwissenschaften, bevor er 1986 der Familientradition folgte und in die LDP eintrat. Mit anderen Reformern spaltete er sich 1993 von ihr ab.

Hatoyama steht vor der Aufgabe, das Land aus der schwersten Rezession der Nachkriegszeit zu führen. Die Arbeitslosigkeit ist auf Rekordniveau, die Löhne sinken. Hatoyama will die Wirtschaft wieder in Schwung bringen, indem er geplante Steuererhöhungen aussetzt. Zudem plant er die Macht der Bürokratie zu brechen und Verschwendung von Steuergeldern zu bekämpfen. Dass dies schwierig werde, kündigte er bereits am Vorabend seiner Wahl an. "Es wird nicht einfach sein, eine Politik zu ändern, die von Bürokraten abhängt. Es wird viel Versuch und Irrtum geben", sagte er. "Ohne Frage warten große Herausforderungen auf uns, da wir einen noch nie da gewesenen Politikstil wagen." Außenpolitisch versucht Hatoyama Abstand zur Schutzmacht USA zu halten.

Noch gestern stellte der neue Regierungschef sein Kabinett vor. Seinen Parteikollegen Katsuya Okada berief er zum Außenminister. Okada ist in parteipolitischen Fragen versiert, jedoch unerfahren in der internationalen Diplomatie. Sein Debüt als Spitzendiplomat wird der 56-Jährige in der kommenden Woche bei einem USA-Besuch geben.

Neuer stellvertretender Ministerpräsident und Strategieminister ist Naoto Kan. Der Mitbegründer der DPJ ist eine Symbolfigur im ehrgeizigen Vorhaben seiner Partei, die Macht der Bürokratie zu beenden. Kan wird das neu gegründete Nationale Strategiebüro der Regierung führen, das ihr die bisherige Kontrolle über die Haushaltsgestaltung entziehen soll. Er hatte als Gesundheitsminister 1996 Berühmtheit erlangt, als er sich wegen eines Skandals um HIV-verseuchte Blutprodukte in seinem Ministerium mit Bürokraten anlegte.

Das Finanzministerium übernimmt der 77-jährige langjährige Beamte Hirohisa Fujii. Der Haushaltsexperte ist treibende Kraft der Demokratischen Partei und gilt als Stratege des historischen Sieges.