Staatsanwalt prüft Ermittlungen gegen deutschen Offizier. Hungerhilfe fürchtet Rache der Taliban.

Hamburg/Berlin. Drei Tage nach dem von der Bundeswehr angeforderten Nato-Luftangriff auf zwei Tanklastwagen in Nordafghanistan mit zahlreichen Toten wächst der Druck auf Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU), für Aufklärung zu sorgen. Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe nannte die Informationspolitik seines Parteikollegen ein Desaster.

"Der einzige Weg, um in der Nato, in Afghanistan und auch hier im deutschen Parlament wieder Vertrauen herzustellen, ist die Flucht in die Wahrheit", sagte Rühe dem Abendblatt. Bisher gebe es große Differenzen zwischen den Bildern von verletzten Kinder und Frauen in Kundus und der Aussage des Verteidigungsministeriums, es seien nur Taliban getroffen worden. Rühe: "Wenn Fehler gemacht worden sind, dann muss es eine Entschuldigung der Bundesregierung geben."

Unklarheit herrscht weiterhin über die Zahl der Opfer des Bomber-Angriffs. Das Verteidigungsministerium spricht von 50 "ausschließlich terroristischen Taliban". Erste Nato-Untersuchungen dagegen zählen nach Angaben der "Washington Post" 125 Tote - darunter auch Zivilisten. Umso mehr zeigte sich Ulrike Merten (SPD), Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, verärgert darüber, dass der Ausschuss nur "durch einen knappen 14-Zeiler" informiert worden ist. "Das geht angesichts eines solchen Vorfalls nicht", sagte sie dem Abendblatt.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) versprach gestern Abend eine zügige Aufklärung. Die Nato-Untersuchungskommission werde alle relevanten Informationen erhalten. Auch die Staatsanwaltschaft Potsdam hat sich eingeschaltet: Geprüft wird ein Ermittlungsverfahren gegen den deutschen Befehlshaber Oberst Georg Klein. Potsdam ist zuständig, weil hier das Einsatzführungskommando der Bundeswehr sitzt. Die Deutsche Welthungerhilfe fürchtet, dass die Hilfsorganisationen nun Ziel der Taliban werden. "Es gibt Warnungen vor Entführungen", sagte Welthungerhilfe-Direktor Rudolf Strasser dem Abendblatt. Am Sonnabend waren bei einem Anschlag fünf deutsche Soldaten verletzt worden.