Streit um Festnahme des Gaddafi-Sohnes Hannibal schwelt weiter. In Libyen verhaftete Schweizer noch immer nicht frei.

Hamburg. Unter der Adresse flags.de kann man im Internet einen Freundschaftspin Libyen/Schweiz mit den Flaggen beider Staaten bestellen. Ob das Ansteckobjekt derzeit reißenden Absatz findet, darf als unsicher gelten.

Die Beziehungen zwischen Bern und Tripolis haben mit der Forderung des libyschen Revolutionsführers Muammar al-Gaddafi (67) nach einer territorialen Aufteilung der Schweiz unter die Nachbarländer Deutschland, Frankreich und Italien einen neuen historischen Tiefstand erreicht. Nach Angaben der Schweizer Parlamentarierin Christa Markwalder, Vizepräsidentin der Außenpolitischen Kommission des Nationalrats, hatte Gaddafi diese Forderung bereits im Juli beim G8-Gipfel in Italien gefordert. Nun soll der Oberst auch bei der Uno-Vollversammlung formell beantragt haben, die Schweiz aufzulösen. Die nächste Vollversammlung der Vereinten Nationen, die am 15. September beginnt, soll sich damit befassen. Libyen hat für ein Jahr den Vorsitz des Welt-Gremiums inne. Hintergrund des bizarren Antrags ist ein politischer Streit, der sich bereits seit mehr als einem Jahr hinzieht.

Mitte Juli 2008 sollen der 32-jährige Gaddafi-Sohn Hannibal und seine im neunten Monat schwangere Frau Aline in einem Genfer Hotel mehrere ihrer Angestellten mit Fäusten und Gegenständen brutal zusammengeschlagen haben. Die beiden, die, zurückhaltend formuliert, als äußerst problematische Persönlichkeiten gelten, wurden daraufhin von einem mehr als 20 Mann starken Schweizer Polizeikommando abgeführt; Gaddafi verbrachte zwei Tage in Untersuchungshaft, seine Frau im Krankenhaus unter Bewachung. Sie wurden auf massiven Druck aus Tripolis hin gegen eine Kaution von umgerechnet 330 000 Euro freigelassen.

Muammar al-Gaddafi stoppte sämtliche Öllieferungen an die Schweiz, strich fast alle Flüge der Swiss International Air Lines nach Tripolis, blockierte Schweizer Firmen und zog rund fünf Milliarden Dollar von Schweizer Banken ab. Zudem verhaftete das Regime in Tripolis zwei Schweizer Bürger wegen angeblicher Visa-Vergehen; einer arbeitet für den Technologiekonzern ABB in Libyen. Hannibal Gaddafi soll laut swissinfo.ch gefordert haben, eine Atombombe über der Schweiz abzuwerfen.

Um die Krise beizulegen, flog der Schweizer Bundespräsident Hans-Rudolf Merz am 20. August nach Tripolis und entschuldigte sich "beim libyschen Volk für die ungerechtfertigte Verhaftung von Hannibal Gaddafi". Zudem unterschrieb Merz den "Dhimmi-Pakt" mit dem libyschen Ministerpräsidenten Al-Bagdadi Ali al-Mahmudi, in dem die Schweiz de facto einseitig die Schuld für die Krise übernimmt und einer Untersuchung des Falles zustimmt. Im Gegenzug verpflichtete sich das Regime in Tripolis, die beiden Geiseln bis zum 1. September freizulassen - was jedoch nicht geschah. Laut unbestätigter Berichte des "Zürcher Tagesanzeigers" verlangt Libyen nun mehrere 100 000 Dollar Lösegeld von Bern.

Bundespräsident Merz hatte sein umstrittene Reise offenbar weitgehend ohne Absprache mit Regierung und Parlament in Bern getroffen. Sein Alleingang und die politische Demütigung der Schweiz haben zu erbitterten Auseinandersetzungen in Bern geführt. Merz wird von vielen Eidgenossen "Verrat" und Kotau vor der libyschen Diktatur vorgeworfen. In einer Diskussion soll er entnervt gesagt haben: "Ja, ich habe alles falsch gemacht."

An einer anderen Front hat Gaddafi dagegen verloren: Sein Vorhaben, während seines Besuchs bei der Uno in New York sein legendäres Beduinenzelt ausgerechnet in einem Vorort aufzuschlagen, in dem Hinterbliebene des Anschlags von Lockerbie wohnen, wurde von US-Politikern vereitelt. Gaddafi hatte den jüngst aus schottischer Haft entlassenen Lockerbie-Attentäter Mohammed al-Megrahi persönlich empfangen. Der an Krebs erkrankte Megrahi liegt im Sterben. Bei dem Anschlag 1988 über der schottischen Ortschaft waren 270 Menschen ums Leben gekommen.