Landesweit gab es Proteste gegen die Frühpensionierung. Lange Wartezeiten für zugesagte Wohnungen sorgen für Unmut.

Kubinka. Seine besten Jahre habe er dem Militär gegeben, klagt Nikolai Kulikow verbittert. Der 51-Jährige hat verschiedene Einsätze in der Sowjetunion hinter sich, die letzten zehn Jahre war er Sicherheitschef am Fliegerhorst in Kubinka westlich von Moskau. Nun gehört Kulikow zu 200 000 Offizieren, die im Zuge einer Reform vorzeitig pensioniert werden sollen, um die Streitkräfte effizienter zu machen. Viele sehen sich durch diese Pläne der Regierung in ihren Hoffnungen betrogen.

"Als ich 1975 den Streitkräften beitrat dachte ich, man würde mir einen gewissen Lebensstil bieten. Stabilität, eine Wohnung, Status", sagt Kulikow. Doch nach drei Jahrzehnten Militärdienst ist er nur noch enttäuscht. "Diese Wohnung hat haargenau die Größe einer Gefängniszelle", sagt er über die Zwei-Zimmer-Wohnung, die ihm übergangsweise zugewiesen wurde - für ihn und seinen 23-jährigen Sohn. Schon seit 13 Jahren wartet Kulikow auf eine neue. Etliche Male sei er von der Warteliste gestrichen worden, weil er seine Vorgesetzten verärgert habe, sagt er.

Sechs von zehn Offiziersstellen will die Regierung streichen, um aus den derzeit 1,1 Millionen Soldaten eine moderne Truppe im Kampf gegen Terror und regionale Konflikte zu machen. Das derzeitige System sei "höchst ineffizient", sagt der Militärexperte Aleksander Golz. "Auf einen Soldaten kommen zwei Offiziere, die ihn beaufsichtigen. So kann es nicht weitergehen." Angekündigt wurde die Reform nach dem Krieg mit Georgien im vergangenen Jahr: Den auf Panzerschlachten ausgerichteten Streitkräften fiel es damals überraschend schwer, Georgiens kleine, leicht bewaffnete Armee zu schlagen. Gleichzeitig mit den Personalkürzungen plant Moskau eine Erhöhung der Militärausgaben sowie die Rekrutierung zahlreicher junger Offiziere.

Dass eine Reform nötig ist, räumen selbst die meisten Kritiker ein. Viele fürchten jedoch die Konsequenzen der massenhaften Frühpensionierung in Zeiten von Rezession und hoher Arbeitslosigkeit. Um die Folgen abzufedern, werden den betroffenen Offizieren eine Pension von umgerechnet monatlich 280 Euro und eine kostenlose Wohnung angeboten. Viele warten allerdings schon seit Jahren auf eine feste Bleibe und haben kein Vertrauen mehr in die Regierung.

Pensionierte Offiziere haben in den vergangenen Monaten landesweit protestiert. Und auch jüngere Offiziere werden inzwischen unruhig. Ihre mageren Gehälter von umgerechnet rund 175 Euro im Monat reichen kaum für den Lebensunterhalt ihrer Familien - und lassen eine Beschäftigung außerhalb der Streitkräfte reizvoll erscheinen. "Wieso sollte ich mich mit diesem Job quälen, wenn ich an einem zivilen Arbeitsplatz fünfmal mehr verdienen kann?", fragt Wladimir. Der 27-jährige Flugzeugmechaniker möchte aus Angst vor Repressalien seinen Nachnamen nicht nennen. "Wenn ich meine kostenlose Dienstwohnung nicht bis Ende des Jahres habe, gehe ich."