Beobachter der schwelenden Krise auf der koreanischen Halbinsel kommen kaum noch damit nach, die einander widersprechenden politischen Signale zu analysieren.

Seoul. Hatte der Norden erst kürzlich dem Süden wiederholt mit einem Atomschlag gedroht, so erlebte die Welt jetzt überraschend eine ermutigende Geste der Versöhnung in Korea.

Anlässlich der Trauerfeier für den verstorbenen früheren südkoreanischen Präsidenten Kim Dae-jung kam es zum ersten Treffen hochrangiger Politiker aus beiden Staaten seit eineinhalb Jahren. Südkoreas Staatspräsident Lee Myung-bak empfing zwei Abgesandte des nordkoreanischen Machthabers Kim Jong-il in seinem Amtssitz, dem Blauen Haus. Die Atmosphäre des Treffens wurde als "herzlich" beschrieben. Im Jahre 2000 hatte Kim - früher als Oppositionsführer jahrelang Folter und Haft in Südkoreas damaligem Regime unterworfen - ein erstes Gipfeltreffen der Führer beider Staaten erreicht. Die Delegation aus Nordkorea hatte eine Botschaft mit dem Wunsch nach engerer Zusammenarbeit mitgebracht. Der konservative Lee hatte nach Amtsantritt jedoch die Versöhnungspolitik seines Vorgängers und Friedensnobelpreisträgers Kim Dae-jung - des "Mandela von Asien" - beendet und vom Norden politische Zugeständnisse als Preis für wirtschaftliche Hilfe verlangt. Dies hatte zu einer Verhärtung zwischen beiden Staaten geführt. An den Trauerfeiern zu Kim Dae-jungs Ehren nahmen in ganz Südkorea gestern 700 000 Menschen teil.

Bei dem gestrigen Treffen in Seoul sprach sich Nordkoreas Delegation nun auch wieder für eine Verbesserung der Beziehungen aus. Haupthindernis für eine Normalisierung der Beziehungen Pjöngjangs zum Süden und zum Westen ist sein Atomwaffenprogramm.