Mehr als die Hälfte der Bevölkerung will die Truppen nach Hause holen. Die Politik zeigt sich davon unbeeindruckt.

Hamburg. Genau wie in Deutschland sinkt nun auch die Zustimmung der Briten für den Einsatz ihrer Truppen in Afghanistan. In einer Umfrage des "Independent" sehen knapp 60 Prozent keine Chance mehr, gegen die Taliban mit militärischen Mitteln zu gewinnen. Zudem sind 52 Prozent der Briten der Meinung, die Soldaten sollten so bald wie möglich aus Afghanistan abgezogen werden. Anfang Juli waren es noch 42 Prozent, wie damals eine Umfrage des "Guardian" ergab.

Dr. Kai Oppermann vom Lehrstuhl für internationale Politik und Außenpolitik an der Universität Köln erklärt sich diesen schnellen Fall der Zustimmung mit den schlechten Nachrichten aus Afghanistan. Im Juli starben 22 britische Soldaten. Das ist die höchste Zahl an Todesopfern innerhalb eines Monats für das Königreich seit dem Beginn des Einsatzes 2001. Insgesamt kamen damit 191 Briten ums Leben, mehr als im Irak. Premierminister Gordon Brown steht wegen der hohen Opferzahlen und der darauf folgenden Verschärfung der Diskussion über den Einsatz unter Erklärungszwang. Gestern erst hatte er die fünfwöchige Operation "Pantherkralle", an der rund 3000 Soldaten teilnahmen, für beendet erklärt. Der Premier bedauerte zwar die Verluste, sprach aber auch davon, dass die Offensive nicht vergeblich gewesen sei. Der Einsatz der Soldaten in der Unruheprovinz Helmand habe "das Land für 100 000 Menschen sicher gemacht". Der Kommandeur der britischen Truppen in Helmand, Tim Radford, bestätigte Brown: "Was wir hier erreicht haben, ist bedeutend, und ich bin absolut sicher, dass die Operation ein Erfolg war." Trotz der sinkenden Zustimmung in der Bevölkerung kam kein Signal aus der britischen Regierung, ob über einen baldigen Abzug nachgedacht wird.

Großbritannien-Experte Oppermann sagte jedoch zum Abendblatt, es werde "natürlich seit Längerem über eine Perspektive diskutiert, die man den Leuten anbieten kann." Nach Medienberichten sind London und Washington über eine "Abzugsstrategie" in Gesprächen. Oppermann meint allerdings, es sei auszuschließen, dass sich die Politik auf aufgrund des öffentlichen Drucks kurzfristig ändern werde. "Die zurückgegangene öffentliche Unterstützung des Einsatzes ist für die Regierung so lange wenig problematisch, wie die konservative Opposition ebenfalls keinen Abzug anstrebt." Zudem würde ein Rückzug nur Probleme für die Regierung in Großbritannien bedeuten. "Zum einen sind die Beziehungen Großbritanniens zu den USA sehr wichtig, die man insbesondere unter Präsident Obama nicht beschädigen will, zum anderen riskiert man sonst die Glaubwürdigkeit der eigenen Politik, und das weniger als ein Jahr vor den nächsten Wahlen." Schon der Amtsvorgänger von Brown, Tony Blair, hatte sich vehement für die Teilnahme der britischen Truppen am amerikanischen Kampf gegen den Terror in Afghanistan eingesetzt.

Die Konsequenz der Offensive in Helmand bedeutet für die 9000 britischen Soldaten im Moment allerdings auch, dass sie ein großes Territorium kontrollieren müssen. Um weitere bedeutende Operationen auszuführen, wäre eine Verstärkung nötig, sagen hohe Militärs. Auch dies wäre nicht im Sinne des britischen Volkes. 60 Prozent sprachen sich in der Umfrage gegen eine Aufstockung der Anzahl der Soldaten aus.

Wie die Zustimmung in Großbritannien sich in Zukunft verhalten wird, ist laut Oppermann nicht absehbar, sondern "hängt von den mittelfristigen Entwicklungen in Afghanistan ab." Die Regierungspolitik werde jedoch nicht unmittelbar beeinflusst, "solange die Briten nicht auf die Straße gehen."