Steuererhöhungen gelten vielen konservativen Amerikanern traditionell als Teufelswerk und Instrumentarium des Kommunismus. Doch angesichts der Misere in der US-Gesundheitsversorgung hat die Demokratische Partei von Präsident Barack Obama zu einer für die USA geradezu spektakulären Wende angesetzt.

Hamburg. Amerika soll eine Reichensteuer einführen. Der Steuersatz für Spitzenverdiener, die mehr als eine Million Dollar nach Hause bringen, soll nach ihren Plänen um satte 5, 4 Prozent auf 45 Prozent klettern. Damit wäre er so hoch wie in Deutschland. Paare mit einem Jahreseinkommen ab 350 000 Dollar sollen ein Prozent mehr zahlen; wer mehr als eine halbe Million Dollar verdient, 1,5 Prozent.

Und die Demokraten schließen weitere Steuererhöhungen für Reiche nicht aus. Hintergrund: Rund 46 Millionen Amerikaner haben keinerlei Krankenversicherung. Zunächst 37 Millionen von ihnen könnten mit Obamas Gesundheitsreform endlich abgesichert werden.

Die gesamte Reform wird nach einer Studie des unabhängigen Haushaltsbüros des US-Kongresses gut eine Billion Dollar kosten. 544 Milliarden davon könnten mit der Reichensteuer innerhalb von zehn Jahren aufgebracht werden, ermittelten die Kongress-Analysten. Zudem sollen Änderungen bei der staatlichen Gesundheitsleistungen für Arme und Senioren weitere Millionen bringen.

Doch selbst wenn die Reformen der Demokraten samt Steuererhöhungen umgesetzt würden, blieben immer noch Millionen Menschen in den USA ohne jeden Versicherungsschutz im Krankheitsfall - die Hälfte davon illegale Einwanderer.

Die Gesundheitsreform ist ein Kernprojekt von Barack Obama. Entsprechend massiv hat er in letzter Zeit aufs Tempo gedrückt. Erwartungsgemäß erklärte er nun seine Unterstützung für die Initiative der Demokraten, die auf 1000 Seiten niedergeschrieben wurde.

Die Präsidentin des Repräsentantenhauses, "Madame Speaker" Nancy Pelosi - in der Rangfolge nach dem Präsidenten und dem Vizepräsidenten die Nummer drei der US-Hierarchie -, sagte, der Kongress werde die Gesundheitsreform noch vor der parlamentarischen Sommerpause im August verabschieden. "Dies ist in der Tat ein glücklicher Tag, denn heute stellen wir eine historische und transformative Gesetzgebung vor, die allen Amerikanern zugute kommen wird: ein Gesetz zur Gesundheitsversicherung für die große Mittelklasse Amerikas", sagte Pelosi. Ähnlich enthusiastisch äußerte sich auch der Chef der Demokraten im Repräsentantenhaus, Steny Hoyer. Und Obama beschrieb die Gesetzesinitiative als Produkt einer "noch nie da gewesenen Zusammenarbeit" von drei Ausschüssen des Repräsentantenhauses. "Lasst euch nicht zum Narren halten von Leuten, die behaupten, wir könnten das Gesundheitssystem nicht verändern. Wir haben keine andere Wahl, als es zu reparieren - denn im Moment ist es zu kaputt für zu viele Amerikaner", sagte Obama.

Die oppositionellen Republikaner zeigten sich unbeeindruckt von den Jubelreden der Demokraten und kündigten erbitterten Widerstand im Kongress gegen die Steuererhöhungspläne an.

Der prominente Hamburger Reeder und Mäzen ("Schulen für Afrika") Peter Krämer, Vorstandsmitglied von Unicef, nahm die Vorlage zum Anlass, im Hamburger Abendblatt eine stärkere Besteuerung auch der Reichen in Deutschland zu fordern. "Obamas Initiative geht in die richtige Richtung", sagte Peter Krämer. "Die Wohlhabenden und die Besitzer hoher Einkommen in Deutschland müssen für Gesundheit und insbesondere für Bildung einen deutlich stärkeren Beitrag leisten. Gemeinsam mit dem DGB und vielen anderen Gruppierungen fordere ich die Parteien auf, das Thema Steuergerechtigkeit nicht allein der Linkspartei zu überlassen, sondern sich die Interessen der weit überwiegenden Teile der Bevölkerung zu eigen zu machen."

Der Reeder, der schon einmal eine politische Initiative prominenter Wohlhabender - darunter die Schriftsteller Günter Grass, Erich Loest und Peter Rühmkorf - zur Erhöhung der Erbschaftssteuer ins Leben gerufen hatte, fügte hinzu: "Um den sozialen Frieden zu erhalten, müssen wir wieder mehr zu einer Gesellschaft zurückfinden.