Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt wirkt wie ein Technokrat, hat seine Konservativen allerdings modern aufgestellt. Schafft er das auch bei der EU?

Stockholm/Hamburg. Etwas Drögeres als eine klar abgezirkelte Stabsübergabe bei der Ratspräsidentschaft der Europäischen Union (EU) kann man sich kaum vorstellen. Doch der Wechsel von Tschechien auf Schweden für das zweite Halbjahr 2009 ist ein Meilenstein für die Skandinavier und die EU der 27 Staaten. Kurz nach der Europawahl, aufgeladen mit der möglichen Wiederwahl von Kommissionspräsident José Manuel Barroso, angeheizt vom EU-Urteil des Bundesverfassungsgerichtes und abgekühlt vom zähen Ringen vor der gigantischen Klimakonferenz im Dezember in Kopenhagen, muss Schwedens konservativer Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt (43) über sich hinauswachsen.

Ein großes gelbes „S“ im blauen Kreis ist das Logo der Präsidentschaft – die „Super-Schweden“. Man nennt den Vater von drei Kindern einen leidenschaftslosen Technokraten. Selbst seine Frau Filippa, die als konservative Parteipolitikerin in Stockholm aktiv ist, gilt als rhetorisch begabter. Doch Reinfeldt hat nach einer schwierigen Phase zu Beginn seiner Amtszeit in Schweden die Kurve gekriegt. Seinen Konservativen verordnete er einen Stilwechsel weg von kräftig neoliberalen Parolen hin zu „sozialer Wärme“. Er selbst bekannte sich zu den Grundlagen des sozialdemokratischen Wohlfahrtsstaates und warb damit erfolgreich für die Konservativen als „neue Arbeiterpartei“.

Als Regierungschef hat er an der traditionell liberalen Asyl- und Ausländerpolitik Schwedens festgehalten. In der Wirtschaftskrise verweigerte er mit seinem Finanzminister Anders Borg die massiv geforderte Staatsbeteiligung an den akut angeschlagenen heimischen Autoherstellern Volvo und Saab.

„Wir sind jetzt wesentlich erfahrener als bei der ersten Präsidentschaft 2001“, sagte Reinfeldt. Beim ersten Anlauf vor acht Jahren hatten Randalierer bei schweren Krawallen rund um den Göteborger EU-Gipfel nicht nur Teile des Stadtzentrums, sondern auch die Hoffnungen auf eine erfolgreiche Präsidentschaft zu Bruch geschlagen. Mehr als gewaltbereite Demonstranten muss Reinfeldt vom 1. Juli an äußere Kriseneinflüsse fürchten. Bei der Bekämpfung der Finanz- und Wirtschaftskrise trete man nun in die „zweite Phase“ mit der Konsolidierung der Staatshaushalte ein. Die Schweden setzen dabei auf eiserne Spardisziplin und halten wenig von expansiven Ausgabenstrategien, wie sie Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy anpeilt.

Offensiv will Reinfeldt die EU-Länder auf einen Erfolg der Kopenhagener Klimakonferenz einschwören: „Die Wirtschaftskrise darf uns nicht bremsen. Der Klimawandel vollzieht sich schneller und massiver als früher angenommen.“ Er will als Ratspräsident seine Kollegen im Dezember möglicherweise „an die Hand nehmen“, um bei Bedarf mit einem „Überraschungsbesuch“ der europäischen Politikerspitze in Dänemarks Hauptstadt Druck zu machen.

Keinen Hehl macht Reinfeldt daraus, dass sein Land auch nach dem Sieg von Euroskeptikern bei der Europawahl uneingeschränkt für die EU-Erweiterung ist – einschließlich der Türkei.