Die iranische Opposition will trotz massiver Einschüchterung seitens des Regimes noch nicht aufgeben. Die umstritten unterlegenen Kandidaten Mir Hossein Mussawi und Mehdi Karrubi forderten von der Regierung eine Annullierung der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl.

Hamburg/Teheran. Mussawi schlug gegenüber dem staatlichen Untersuchungsausschuss, der den Vorwürfen der Wahlfälschung nachgehen soll, zudem die Einrichtung eines nationalen Schiedskomitees vor.

Der mächtige Wächterrat, das oberste Kontrollgremium der Islamischen Republik, hatte auf Wunsch von Revolutionsführer Ali Chamenei zehn Prozent der Stimmen stichprobenartig neu ausgezählt. Die amtliche Nachrichtenagentur Irna meldete dazu, in einem Wahlkreis habe die Nachzählung ergeben, dass der Wahlsieger, der amtierende Präsident Mahmud Ahmadinedschad, sogar mehr Stimmen erhalten habe als bei der ursprünglichen Auszählung angegeben. Der Wächterrat hat bereits unmissverständlich erklärt, am Sieg Ahmadinedschads könne keinerlei Zweifel bestehen.

Die Regierung richtete indessen einen Sonderausschuss ein, der über das Schicksal der seit den Straßenprotesten inhaftierten Demonstranten entscheiden soll. Nach der Verkündung des Wahlsieges von Ahmadinedschad - er soll mit rund 63 zu 33 Prozent gegenüber Mussawi gewonnen haben - waren Hunderttausende Iraner in mehreren Städten zu Protestbekundungen gegen das Regime auf die Straßen geströmt. Bei Ausschreitungen und einer brutalen Reaktion der Sicherheitskräfte kamen nach offiziellen Angaben 20 Menschen ums Leben - nach Angaben von Oppositionellen jedoch wesentlich mehr. Hunderte wurden festgenommen. Der einflussreiche Kleriker Ayatollah Ahmad Chatami hat für "Rädelsführer" die Todesstrafe gefordert. Ahmadinedschad bat nun Irans Justizchef, Ayatollah Mahmud Haschimi Schahrudi, den Tod der Studentin Neda Agha-Soltan untersuchen zu lassen. Die junge Frau war am Rande einer Demonstration von einer Gewehrkugel ins Herz getroffen worden. Die Opposition macht die Sicherheitskräfte für den Mord verantwortlich. Vor wenigen Tagen hatte ein Arzt, der Neda Agha-Soltan noch Erste Hilfe geleistet hatte, ausgesagt, der Schütze sei ein Mitglied der Bassidsch-Miliz gewesen. Angehörige dieser streng regimetreuen Miliz, die bei voller Mobilisierung rund eine Million Mann zählen soll, hatten bei den Protestkundgebungen auf Motorrädern Demonstranten gejagt und zusammengeschlagen. Ahmadinedschad verwies bezüglich dieses "herzzerreißenden Zwischenfalls" auf die "vielen erfundenen Berichte und die weit verbreitete Propaganda ausländischer Medien". Die Feinde des Iran wollten die Situation missbrauchen, um das "makellose Bild der Islamischen Republik zu beschmutzen", schrieb der Präsident, der früher ein Kommandeur der radikalen Revolutionsgarden war und selber als Hardliner gilt. Das Regime hat Andeutungen gemacht, der Mord könne auf das Konto ausländischer Kräfte gehen. Der Tod von Neda Agha-Soltan hat international Empörung ausgelöst; die 26-jährige Musik-Studentin ist zu einer Symbolfigur des Widerstandes im Iran geworden.

Auch die Botschaftskrise zwischen dem Iran und Großbritannien schwelte gestern weiter. Teheran hatte neun iranische Angestellte der britischen Botschaft inhaftiert - unter dem Vorwurf, die Proteste organisiert zu haben. Fünf von ihnen wurden inzwischen freigelassen. Gestern forderte der britische Premierminister Gordon Brown die Freilassung auch der übrigen vier. "Irans Vorgehen - zuerst die Ausweisung von zwei (britischen) Diplomaten und jetzt die Festnahme mehrerer örtlicher Mitarbeiter - ist inakzeptabel, ungerechtfertigt und unbegründet", sagte Brown gestern in London.

Die konservative Londoner Tageszeitung "The Times" empfahl allen britischen Staatsbürgern, den Iran zu verlassen.