Die Taliban gewinnen mehr und mehr Kontrolle über eine ganze pakistanische Provinz. “Sie sind wie Bestien.“ Im Swat-Tal haben die Radikalislamisten die Kontrolle übernommen. Die Taliban wollen die Scharia ausweiten.

Mingora. Mit der Zulassung des islamischen Rechts im Swat-Tal wollte die pakistanische Regierung das Blutvergießen beenden. Das Ergebnis ist nun aber eine Stärkung der Taliban. Ihr regionaler Sprecher Muslim Khan spricht offen davon, dass Al-Qaida-Führer Osama bin Laden im Swat-Tal willkommen wäre. "Osama kann hierherkommen", sagt Khan. Die arabischen Angehörigen des Terrornetzwerks al-Qaida würden wie Brüder behandelt. "Wir werden ihnen helfen und sie beschützen".

Der Taliban-Sprecher hat Englisch gelernt, als er vier Jahre in den USA war und als Anstreicher gearbeitet hat. 2002 kehrte er in das Swat-Tal im Nordwesten von Pakistan zurück. Beim Gespräch mit der Korrespondentin von AP blickt er auf den Boden, im Einklang mit seinem strikten Verständnis des Islams.

In der pakistanischen Hauptstadt Islamabad werden Khans Äußerungen nicht gern gehört. Die Behörden würden nicht zulassen, dass Bin Laden Aufnahme finde, versichert Informationsminister Kamar Saman Kaira. Dies würde einen Militäreinsatz nach sich ziehen. "Wir führen diesen Krieg gegen al-Qaida und die Taliban."

Aber ob die Regierung die Mittel hat, irgendetwas im Swat-Tal zu unternehmen, ist keineswegs klar. Zwei Jahre lang kämpften die Streitkräfte gegen die Taliban in dieser Region. Dabei kamen mehr als 850 Menschen ums Leben. Schließlich stimmte die Regierung der von den Taliban verlangten Einführung der Scharia zu, auch wenn sie damit internationale Kritik auf sich zog.

"Wir haben den Krieg verloren", erklärt Afrasiab Khattak von der Awami-Partei, die in der Nordwestprovinz an der Regierung ist, zu der auch das Swat-Tal gehört. "Wir haben aus einer Position der Schwäche verhandelt." Die Polizei der Region sei zu schlecht bezahlt, nicht gut genug ausgebildet und zu sehr unterbesetzt, um es mit den Militanten aufnehmen zu können.

Auf Antrag der Nationalversammlung hat Präsident Asif Ali Zardari in der vergangenen Woche ein Gesetz unterzeichnet, das überall in der Region Malakand die Scharia einführt. Dazu gehört nicht nur das idyllische und einst bei Touristen beliebte Swat-Tal, sondern auch der Gürtel von Stammesgebieten an der Grenze zu Afghanistan gehört, wo Osama bin Laden immer wieder vermutet wurde.

Die USA haben angekündigt, dass sie mit Pakistan zusammenarbeiten wollten, damit die Taliban an keinem Ort des Landes mehr sicher seien. Der pakistanische Ministerpräsident Yousuf Raza Gilani sagt in einem Fernsehinterview, der US-Sonderbeauftragte Richard Holbrooke müsse sich wegen der Einführung der Scharia keine Sorgen machen. "Das ist unser Land", erklärt Gilani. "Wir kennen die Realitäten am Boden besser als er."

Am vergangenen Freitag fuhren Taliban-Kämpfer mit schwarzen Fahnen auf offenen Lastwagen durch die Straßen von Mingora, der größten Stadt im Swat-Tal. Über Lautsprecher verlangten sie, dass die Geschäfte schließen sollten, damit sich alle auf das Gebet vorbereiten könnten. Im Zentrum der Stadt liegt die Polizeiwache in Trümmern, zerstört bei einem Selbstmordanschlag.

Kritik an den Taliban gibt es nur hinter vorgehaltener Hand. Aftab Alam, der Vorsitzende der Anwaltsvereinigung beim Bezirksgericht, sagt: "Sie sind schlimmer als Bestien. Unsere Regierung ist unfähig, dumm und korrupt." Er fürchte um sein Leben, wolle aber nicht schweigen, weil er sich Sorgen um das Land mache.

Statt der bisherigen Richter wird das Recht jetzt von den Qazis gesprochen, Rechtsgelehrten, die besonders in der Scharia ausgebildet wurden. Das sei aber nur der Anfang, erklärt Taliban-Sprecher Khan. "Wir brauchen nicht nur die Qazis, wir müssen die Gesetze ändern." Die Taliban wollten die Scharia auf ganz Pakistan ausweiten.

Dabei kann sich die Miliz auf andere islamisch-fundamentalistische Gruppen verlassen. Als Verbündete nennt Khan die Lashkar-e-Taiba, die für die Terroranschläge in der indischen Stadt Mumbai (Bombay) verantwortlich sein sollen, ebenso wie die Jaish-e-Mohammed, die Islamische Bewegung von Usbekistan, die al-Qaida und die Taliban in Afghanistan. "Wenn wir sie brauchen, können wir sie rufen", sagt Khan.

Umgekehrt seien seine Kämpfer bereit, den Taliban in Afghanistan beizustehen, wenn die USA und die Nato-Truppen weiter dort blieben. Wenn man früher den Malakand-Pass überquert habe und im Swat-Tal eingetroffen sei, habe man geglaubt, im Himmel angekommen zu sein, sagt der Rechtsanwalt Alam. "Jetzt denkt man: ,Ich bin in der Hölle’."