Brüssel - Die Europäische Union feiert fünf Jahre Osterweiterung. Aber EU-Industriekommissar Günter Verheugen kritisiert die deutsche Position zur Ausdehnung der Gemeinschaft um weitere Länder. „Kein Verständnis“ hat Verheugen für die Drohung der Bundesregierung, nur mit einem gültigen Reformvertrag von Lissabon einer neuerlichen Erweiterung der EU zuzustimmen. Kroatien und langfristig auch die Türkei sollten in die EU aufgenommen werden, sobald sie die Kriterien erfüllten.

Verheugen sagte: „Die Türkei ist für uns in zweierlei Hinsicht wichtig: Sie ist die Brücke zur islamischen Welt. Zweitens ist sie für uns die ökonomische Brücke in benachbarte Räume, die wir dringend brauchen, insbesondere im Hinblick auf die Energieversorgung. Für die Türkei gibt es aber deswegen keinen Rabatt, sie muss die Bedingungen genauso erfüllen wie alle anderen auch. Ich weiß nicht, wo das Problem liegen sollte, wenn der Punkt erreicht ist, wo wir sagen können: Die Türkei ist eine voll entwickelte Demokratie, ein voll entwickelter Rechtsstaat, sie schützt und achtet die Menschenrechte. Wo sollte das Problem liegen, eine solche Türkei in die EU aufzunehmen? Jetzt ist der Ball im Feld der Türkei, diese Chance wahrzunehmen.“

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat wiederholt erklärt, sie werde der Aufnahme neuer Mitgliedstaaten erst nach einer Reform der EU-Institutionen zustimmen. Nach dem Scheitern des EU-Vertrags von Lissabon bei einem Referendum in Irland ist aber unklar, ob und wann eine solche Reform zustande kommt. Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien sind bereits weit fortgeschritten.

Die Ost-Erweiterung der Europäischen Union vor fünf Jahren, die Verheugen damals als zuständiger Kommissar vorbereitet hatte, wertete er als „bedeutendste historische Leistung“ der EU seit ihrer Gründung. „Die hohen Wachstumsraten, die wir vor der Wirtschaftskrise in den neuen Mitgliedstaaten hatten, haben sich positiv ausgewirkt auf Wachstum und Arbeitsplätze auch in den alten Mitgliedstaaten."