Die Autos kommen. Noch bevor die Wagen des Gegners zu sehen sind, verdreht Happy Godi die Augen. “Sie kommen. Wie immer, wenn wir uns zu Veranstaltungen treffen.“

Erst vor ein paar Minuten haben sich die 40 Aktivisten der neuen südafrikanischen Partei Congress of the People (Cope) am Rand von Südafrikas größtem Township Soweto getroffen. Godi spannt eine Fahne mit dem bunten Parteilogo über sein Auto. Als die Wahlkämpfer der Regierungspartei African National Congress (ANC) die Auffahrt hinauffahren, schaut er nicht auf.

Es ist eine besondere Mission, die den Aktivisten von Cope bevorsteht. Vielleicht die schwerste dieses Wahlkampfs vor den Parlamentswahlen, die heute in Südafrika stattfinden. 60 Kilometer wollen sie durch das Straßengewirr von Soweto fahren. "Ein harter Job", sagt Godi. Ein Auswärtsspiel. Im Kampf gegen die Apartheid versteckte sich ANC-Führer Nelson Mandela in Orlando West, einem Teil von Soweto. Der South Western Township war wie der ANC ein Symbol gegen das Unrechtsregime. Noch heute ist er eine der Bastionen der Partei, die seit dem Ende der Apartheid 1994 unangefochten an der Macht ist.

Godis Adern an seinem dünnen Hals schwellen an. Vier Pkws und zwei Kleinbusse der ANC-Leute haben die Cope-Autos zugeparkt. Jugendliche tanzen mit ANC-Fahnen vor den Cope-Mitgliedern und singen auf Zulu: "Keine Agenda für Kapitalisten." Dieses Image würde der ANC dem neuen Konkurrenten gern anheften. Tatsächlich aber hat Cope Mitglieder aus allen Gesellschaftsschichten stehen. Die Partei ist multikulturell: 60 Prozent der Cope-Unterstützer sind schwarz, 13 Prozent weiß. Sie ist für den ANC gefährlicher als die zweite große Oppositionspartei Democratic Alliance (DA), die sich schwertut, schwarze Wähler zu überzeugen.

Godi diskutiert mit den ANC-Wählern. "Die Leute vom ANC wollen uns zeigen, dass sie stärker sind. Aber sie beweisen nur, dass sie Angst haben." Der 27-Jährige war bis vor ein paar Monaten dort selbst Mitglied. "Der ANC hat vieles erreicht, aber er hält sich für allmächtig. Die Partei ist geprägt von Arroganz und einer Kultur der Gefälligkeit." Erst vor vier Monaten spaltete sich die Partei ab, angeführt vom langjährigen Verteidigungsminister Mosiuoa Lekota. Auch aus inhaltlichen Gründen: Der ANC hat in den vergangenen Jahren nicht nur durch seine katastrophale HIV-Politik enttäuscht. Auf 22 Prozent ist die Arbeitslosenquote gestiegen. Südafrika gehört zu den Ländern mit der größten sozialen Ungleichheit. "Die große Mehrheit wurde zurückgelassen", schreibt sogar der ANC in seinem Wahlprogramm.

Allzu machtbewusst hatte der skandalerprobte ANC-Präsident Jacob Zuma, dem die Wahl zum Präsidenten sicher ist, seine Getreuen um sich geschart und seine Partei auf einen Linksruck eingestimmt. Zuma soll unter anderem bis zum Jahr 2005 umgerechnet 400 000 Euro Bestechungsgelder entgegengenommen haben. Das Verfahren wurde vor gut zwei Wochen - rechtzeitig zur Wahl - aber nicht aus inhaltlichen Gründen eingestellt, sondern wegen angeblicher Manipulationen seiner Gegner. Nach Umfragen haben Cope und DA mit jeweils zwölf bis 15 Prozent der Stimmen die Chance, eine Zweidrittelmehrheit des ANC knapp zu verhindern - und damit die Möglichkeit zu Änderungen der vorbildlichen Verfassung.

Im Schritttempo fahren die Cope-Wahlkämpfer durch Diepkloof, einen Randbezirk von Soweto. Die Straßen sind asphaltiert, die Blechhütten aus der Zeit der Apartheid kleinen Steinhäusern gewichen. Auf eine Wand hat jemand "Sichere und legale Abtreibung" gepinselt, dazu eine Telefonnummer. Cope hatte hier Hunderte Plakate aufgehängt. Aber keines ist mehr da. So stattete die Partei möglichst viele der nach eigenen Angaben 600 000 Mitglieder mit Cope-T-Shirts aus. Lebende Plakate. Ein paar Jugendliche jubeln, als die Autos vorbeifahren: "Wählt Cope!"

Doch die Begeisterung hat Grenzen. Die Cope-Kampagne konzentrierte sich so sehr auf die Verfehlungen des ANC, dass nur wenige Inhalte des sozialdemokratischen Programms hängen blieben.

Und doch: Es gibt Nachfrage nach einer Partei wie Cope, die mit dem politisch unbelasteten Kirchenführer Mvume Dandala als Präsidentschaftskandidaten antritt. Auch nach vier Stunden fahren die Cope-Autos durch Soweto mit seinen mehr als zwei Millionen Einwohnern. Heisere Stimmen krächzen in die Megafone. In Orlando West macht die Karawane ihren letzten Stopp. Eine ältere Frau verweigert den gelben Cope-Flyer. Ihre Familie wähle immer ANC. Doch dann, sie hat sich schon fast umgedreht, sagt sie leise: "Viel Glück."