Rein militärisch ist das Land nicht mehr zu befrieden. Nun soll ähnlich wie im Irak verfahren werden.

Hamburg. Mit einer neuen Strategie und der Entsendung von bis zu 30 000 zusätzlichen Soldaten bis zum Frühjahr, spätestens aber bis zum Sommer, wollen die USA Afghanistan stabilisieren.

Der künftige US-Präsident Barack Obama und der Kommandeur des auch für Afghanistan zuständigen US Central Command, General David Petraeus, haben erkannt, dass die bisherige Strategie der USA gescheitert ist. Petraeus hatte als Kommandeur der US-Truppen im Irak mit einer militärisch-zivilen Doppelstrategie bereits spektakuläre Erfolge bei der Befriedung der Lage erzielt. Nun soll diese Strategie, Herz und Verstand der Menschen zu gewinnen, auch am Hindukusch Anwendung finden. Zurzeit sind 51 000 Nato-Soldaten in Afghanistan im Einsatz.

"Die Lage ist verfahren, aber nicht hoffnungslos", sagte der Hamburger Experte Hans Krech, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Forums für Internationale Sicherheit an der Führungsakademie der Bundeswehr, zum Abendblatt. "Im Süden Afghanistans sprechen wir seit Mai 2006 von einem 'Rund-um-die-Uhr-Krieg'." Der Westen kämpfe in Afghanistan aber keineswegs nur gegen die Taliban, sagt Krech - sondern gegen ein Einheitsbündnis einer ganzen Reihe von Untergrundgruppierungen, die ihre Kampfhandlungen koordinieren. "Sie haben ihre zum Teil tief gehenden Streitigkeiten beigelegt - das macht sie stark und selbstbewusst. Aber wir wissen auch, dass die Taliban keine in sich gefestigte, homogene Organisation sind." Da gebe es die "Kern-Taliban", die für Mullah Mohammed Omar kämpfen, daneben aber weitere Taliban-Gruppierungen, die nicht diesen religiösen Fanatismus haben. "Mit denen könnte man reden."

Militärisch könne man in Afghanistan nicht gewinnen, sagt Hans Krech. Diese Ansicht hatte Anfang Oktober auch der damalige Kommandeur der britischen Truppen in Afghanistan, Brigadegeneral Mark Carleton-Smith, vertreten und damit für Wirbel gesorgt. Gleichzeitig wurde der französischen Zeitung "Le Canard enchaine" eine vertrauliche Depesche zwischen dem britischen Botschafter in Kabul, Sir Sherard Cowper-Coles, und dem französischen Diplomaten Jean-Francois Fitou zugespielt, in der Cowper-Coles erklärt, die US-Strategie in Afghanistan sei zum Scheitern verurteilt.

"Die Sowjets konnten mit 120 000 Mann nicht gewinnen - und sie haben sich um zivile Verluste keinen Deut geschert", sagte jetzt US-Verteidigungsminister Robert Gates, "also müssen wir in längeren Zeiträumen denken."

"Die Taliban wittern eine Sieges-Chance, rücken immer näher an Kabul heran und könnten sogar einen Sturmangriff auf die Hauptstadt erwägen", sagt Krech. Das müsse abgeblockt werden. "Um das Konzept von Petraeus umsetzen zu können, bedarf es aber zunächst eines großen militärischen Drohpotenzials - man darf sich nicht in die Defensive drängen lassen."

Man könne den Afghanistan-Konflikt zwar nicht militärisch auskämpfen, aber dennoch siegreich sein - indem man die Guerilla vom Volk trenne. Die Einheitsfront von Warlords, al-Qaida und Taliban müsse aufgespalten werden. "Selbst die Taliban sind aufspaltbar" - einige seien bereit, unter bestimmten Bedingungen das Bündnis mit al-Qaida aufzukündigen, sagt Krech. Barack Obama hat daher als Ziel seiner Afghanistan-Politik die Zerschlagung al-Qaida formuliert - und nicht der Taliban. Ihnen wollen die USA sogar entgegenkommen.