Pakistan will Truppen aus der Grenzregion zu Afghanistan an die indische Grenze verlegen, falls sich die Lage weiter verschärfen sollte - so hieß es...Sehen Sie hier Eindrücke aus Bombay nach der Anschlagsserie.

Hamburg/Delhi. Pakistan will Truppen aus der Grenzregion zu Afghanistan an die indische Grenze verlegen, falls sich die Lage weiter verschärfen sollte - so hieß es gestern aus Regierungskreisen in Islamabad. Delhi erwägt derweil, den Friedensprozess mit Pakistan auszusetzen. Beunruhigend: Zwei Atommächte, die bereits drei Kriege gegeneinander führten, haben sich in einer Gemengelage aus Vorwürfen, Misstrauen und Geheimdienstintrigen verstrickt. Die Welt blickt mit angehaltenem Atem auf den Subkontinent.

Video: Bombay: Indien vom Terror überschattet

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Mindestens zehn Attentäter richteten die Blutbäder von Bombay mit 172 Toten an. Neun wurden von Eliteeinheiten erschossen, einer wurde gefangen genommen. Und dessen Aussagen bergen im bittersten Sinne des Wortes Sprengstoff in sich. Alle Täter seien Pakistaner, habe der 21-jährige Ajmal Amir Kamal bei Verhören ausgesagt, wie indische Zeitungen berichteten. Alle seien von der berüchtigten pakistanischen Terrorgruppe Lashkar-i-Taiba ausgebildet worden. Die LiT, die "Armee der Reinen" ist eine radikalislamische Organisation, die 1986 in Kaschmir gegründet wurde und gewaltsam für dessen Unabhängigkeit kämpft. Bereits 2006 verübte LiT Bombenanschläge auf Züge und Bahnhöfe in Indien, denen fast 200 Menschen zum Opfer fielen. Obwohl sich die pakistanische Führung, voran Präsident Asif Ali Zardari, hastig von Taten und Tätern distanzierte und Delhi vor "Überreaktionen" warnte, steht fest, dass Pakistans mächtiger Geheimdienst ISI die LiT früher sehr aktiv unterstützte. Der ISI, ein Staat im Staate, nur teilweise unter Kontrolle der Regierung, ist islamistisch unterwandert und steht im Verdacht, sowohl al-Qaida als auch die afghanischen Taliban zu fördern.

Der gefangene Terrorist sagte weiter aus, die Gruppe sei mit einem Fischerboot aus Karatschi gekommen und mit Schlauchbooten an Land gelangt. Die Schlauchboote wurden gefunden, das Fischerboot "MV Kuber" dümpelte als Geisterschiff auf dem Meer. Der Kapitän lag gefesselt und mit durchschnittener Kehle an Deck, die Leichen der fünfköpfigen Crew wurden an Land gespült.

"Diesen Angriffen liegen gute Planung, Aufklärung, Logistik und finanzielle Unterstützung zugrunde", sagte der indische Terrorexperte Sajjan Gohel. "Da gibt es ein internationales Netzwerk."

Westliche Experten wie Paul Wilkinson, Professor an der schottischen Saint-Andrews-Universität, halten die Angriffe für "charakteristisch für al-Qaida". Wie die "Times of India" aus Geheimdienstquellen berichtete, wurde ein Telefonat zwischen dem LiT-Chef im pakistanischen Muzaffarabad, Muzammil, und einem Islamisten namens Yahya in Bangladesch abgefangen. Yahya besorgte den Terroristen von Bombay danach SIM-Karten für BlackBerrys sowie gefälschte Ausweise. In der Nähe des Taj Mahal wurden neben Bomben und Granaten auch zwei Kisten mit je acht Kilo RDX - einem hochbrisanten Militär-Sprengstoff - gefunden. Ein Regierungsbeamter sagte, die Täter hätten vorgehabt, 5000 Menschen umzubringen.

Die Annahme, dass die "Deccan Mudschaheddin", wie sich die Terroristen vom Bombay nannten, von Lashkar-i-Taiba ausgebildet wurden und Hilfe von al-Qaida bekamen, deckt sich mit Analysen von US-Terrorexperten. Dies würde erklären, warum die Täter - unüblich für indische Terroristen - gezielt Jagd auf Israelis und Amerikaner machten.

Indiens Innenminister Shivraj Patil zog die Konsequenzen aus dem Versagen von Geheimdienst und Polizei und trat zurück. Indien hat eine innenpolitische, Asien eine zwischenstaatliche Krise, die es rasch beizulegen gilt.

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