Die weltweite Wirtschaftskrise treibt immer mehr Regierungen zu riesigen Konjunkturpaketen und massiven Steuersenkungen. In den USA will der künftige Präsident Barack Obama mit einem der größten Konjunkturpakete der Geschichte die Wirtschaftskrise bekämpfen.

Washington/London/Paris. Es soll laut Berichten bis zu 700 Milliarden Dollar (548 Mrd Euro) für die kommenden zwei Jahre umfassen. In Großbritannien will die Regierung 20 Milliarden Pfund (23,7 Mrd Euro) zur Ankurbelung der Wirtschaft ausgeben. Unter anderem soll bereits ab Dezember die Mehrwertsteuer von 17,5 Prozent auf 15 Prozent gesenkt werden. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) schließt dennoch für Deutschland Steuersenkungen derzeit weiter aus.

US-Präsident George W. Bush sagte am Montag, die USA würden die wirtschaftlich "harten Zeiten" überstehen. Sein Nachfolger Obama betonte am Montagabend in Chicago bei der Vorstellung seines Wirtschaftsteams, er wolle mit einem "aggressiven Plan zur Erholung der Wirtschaft" die Krise in den USA in den Griff kriegen. Notwendig sei ein Konjunkturprogramm, das 2,5 Millionen Arbeitsplätze schaffe oder bedrohte Arbeitsplätze sichere. Die US-Wirtschaft befinde sich in einer "Krise von historischem Ausmaß". Es drohe der Verlust von Millionen Arbeitsplätzen im kommenden Jahr. Barack Obama kündigte Steuererleichterungen für die Mehrheit der Amerikaner an. Den wichtigen Posten des Finanzministers soll der Chef der Notenbank (Fed) in New York, Timothy Geithner (47), übernehmen.

Die von Obama geplanten Konjunkturspritzen, die er in der Summe am Montag aber noch nicht bestätigen wollte, wären laut "Washington Post" eines der größten Wirtschaftsprogramme einer US-Regierung seit der Präsidentschaft von Franklin D. Roosevelt. Dieser hatte mit seinem "New Deal" die Folgen der Weltwirtschaftskrise in den 1930er Jahren gemeistert.

China hatte in der aktuellen Krise bislang das mit einem Volumen von umgerechnet 470 Milliarden Euro größte Konjunkturpaket vorgelegt. Damit soll die Binnenkonjunktur angekurbelt werden, weil besonders der Export in die USA wegen der dort ausbleibenden Nachfrage massiv eingebrochen ist.

Die US-Wirtschaft steuert derzeit auf eine der schwersten Krisen in ihren jüngeren Geschichte zu. Die drei großen US-Autohersteller General Motors, Chrysler und Ford sind in ihrer Existenz bedroht. Obama will der Automobilindustrie auf jeden Fall helfen: "Wir können nicht erlauben, dass die Autobranche einfach verschwindet."

Experten der US-Investmentbank Goldman Sachs rechnen damit, dass die US-Wirtschaft im letzten Quartal um fünf Prozent schrumpft. Bis Ende 2009 erwarten sie eine für US-Verhältnisse außergewöhnlich hohe Arbeitslosenquote von neun Prozent. Im Oktober war die Quote mit 6,5 Prozent auf den höchsten Stand seit 14 Jahren gestiegen. 10,1 Millionen Amerikaner waren ohne Job.

Unterdessen preschte in Europa Großbritannien am Montag mit einem Milliarden-Paket vor. Die Gesamtsumme von 20 Milliarden Pfund sei für den Haushalt bis Ende April 2010 eingeplant, sagte Finanzminister Alistair Darling in London. Die Staatsverschuldung werde in diesem Finanzjahr auf 78 Milliarden Pfund steigen und im kommenden Jahr auf 118 Milliarden Pfund - acht Prozent des BIP. "Das sind außerordentliche Zeiten der globalen Wirtschaft", sagte Darling. Die Maßnahmen würden den Abschwung "leichter und kürzer" machen. Auch Großbritannien steht kurz vor einer Rezession.

Die geplanten Maßnahmen der USA und Großbritanniens erhöhen den Druck auf Deutschland, dem ersten Konjunkturpaket in Höhe von 12 Milliarden Euro weitere Schritte folgen zu lassen. Merkel lehnt dies aber bisher ab. Anfang Januar werde die große Koalition darüber beraten, ob weitere Maßnahmen nötig seien, sagte sie am Montag in Paris nach einem Treffen mit Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy. Die Maßnahmen würden mit Frankreich und den anderen Partnern abgestimmt. Die Prognosen änderten sich "täglich, fast stündlich", betonte Merkel.

Merkel warnte mit Blick auf das 130 Milliarden Euro schwere Konjunkturpaket, das die EU-Kommission am Mittwoch vorstellen wird, vor überstürzten zusätzlichen Ausgaben. Die 130 Milliarden seien "kein Diktat" Brüssels, sondern eher eine am Bruttoinlandsprodukt orientierte "Richtgröße". Sie betonte ihr Interesse an Programmen, die kein zusätzliches Geld kosten. Man müsse erst einmal die beschlossenen konkreten Schritte wirken lassen. Die Kanzlerin verwies auf eine "ganze Reihe" von Maßnahmen, die die Bundesregierung gegen den Abschwung ergriffen habe. Es gehe um nationale Schritte und dann um ein abgestimmtes europäisches Vorgehen.

Die Bundesregierung will bisher, dass ihre bereits geleisteten Konjunkturmaßnahmen bei dem EU-Paket eingerechnet werden. Das EU-Paket entspricht einem Prozent des Bruttoinlandsprodukts aller 27 Mitgliedsstaaten. Deutschland müsste demnach rund 25 Milliarden Euro beitragen. Französische Kommentatoren verwiesen darauf, dass Berlin anders als Paris mit seinem fast ausgeglichenen Haushalt Spielraum habe, um Deutschland mit weiteren Konjunkturspritzen zur Lokomotive der Euro-Zone zu machen.

Einig waren sich Merkel und Sarkozy, dass die europäische Autoindustrie nicht durch mögliche Subventionen für die amerikanischen Konzerne benachteiligt werden dürfe. Merkel mahnte aber, nichts zu überstürzen. Europa müsse erst schauen, was in Washington getan werde, und dann darauf reagieren, sagte die Kanzlerin. "Wir wollen keine wettbewerbsverzerrenden Maßnahmen und können auch keine einfachen Subventionierungen der Industrie vornehmen."

In Deutschland trübte sich unterdessen die Stimmung in der Wirtschaft weiter ein: Nach dem Abrutschen in die Rezession ist sie so schlecht wie zuletzt vor 15 Jahren. Für 2009 zeichnet sich ein deutlicher Anstieg der Arbeitslosigkeit ab. Der Geschäftsklimaindex des Münchner ifo Instituts fiel mit 85,8 Punkten auf den niedrigsten Stand seit Februar 1993 - damals befand sich Deutschland in einer tiefen Rezession.