Den Haag. Zehn Quadratmeter ist die Gefängniszelle von Thomas Lubanga groß. Neben dem Eingang steht ein Schrank mit Fernseher und PC. Es folgen Tisch, Bett und abgetrennte Sanitärzelle. Seit fast einem Jahr sitzt der ehemalige Rebellenführer aus dem Kongo im niederländischen Scheveningen in Haft. Demnächst beginnt das Hauptverfahren gegen den 46-Jährigen. Es ist nicht nur das erste Mal, dass Lubanga Rechenschaft ablegen muss. Er ist auch der erste Kriegsverbrecher überhaupt, der vor dem neuen Weltstrafgerichtshof angeklagt ist. Ein Prozess, der bis vor Kurzem noch gar nicht möglich gewesen wäre.

Erst seit fünf Jahren gibt es den Internationalen Strafgerichtshof. "Wir sind weltweit die erste dauerhafte Institution, die Völkermörder und Kriegsverbrecher ohne Rücksicht auf Namen, Rang oder Weltanschauung verfolgt, wenn nationale Strafrechtssysteme versagen", sagt Hans-Peter Kaul, der einzige Deutsche unter den 18 Richtern.

Der Weltstrafgerichtshof ist nicht zu verwechseln mit den zeitlich begrenzten Sondertribunalen, die Kriegsverbrechen in Jugoslawien oder Ruanda aufklären. Vor dem neuen Gerichtshof können jederzeit Kriegsverbrecher angeklagt werden. Vorausgesetzt, die Taten wurden nach dem 1. Juli 2002 begangen, und die Staaten sind selbst nicht in der Lage, die Verbrechen zu ahnden. Fast 3000 Anzeigen gingen bereits beim Internationalen Strafgerichtshof ein. "Aus Darfur wissen wir zum Beispiel, dass sich die Zahl der Übergriffe der Reitermilizen auf die Bevölkerung verringert hat, seitdem wir die Verbrechen verfolgen", sagt Kaul.

Die Idee zu einem solchen Weltstrafgericht ist alt. Schon nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 legte, angesichts der Kriegsgräuel, der damalige Präsident vom Internationalen Komitee des Roten Kreuzes einen ersten Entwurf vor. 1948 wurde die Idee in die Völkerrechtskonvention aufgenommen, wegen des Kalten Krieges aber nie umgesetzt. Erst nach der Öffnung des Eisernen Vorhangs kamen die Verhandlungen zwischen den Staaten voran. 1998 wurde das Statut erarbeitet, 2002 erfolgte die Gründung. 104 Staaten haben sich seither dem Gerichtshof unterworfen. Das ist immerhin mehr als die Hälfte aller Staaten, die der Uno angehören. Bis auf Tschechien sind auch alle EU-Staaten dabei. Demnächst wird Japan hinzukommen. Trotz aller Erfolge, ein Wermutstropfen bleibt. Denn Staaten wie China, Russland, USA oder Israel sucht man unter den Vertragsstaaten vergeblich . Die USA schlossen zudem zahlreiche Abkommen, die eine Auslieferung ihrer Bürger an den Gerichtshof verhindern sollen. Ein Täter kann aber nur dann angeklagt werden, wenn er einem Staat angehört, der sich dem Gerichtshof unterworfen hat, oder die Verbrechen auf dem Territorium eines Vertragsstaates begangen wurden. "Die USA verfügen über unglaubliche Erkenntnismittel und sind in mehr als 100 Staaten präsent", sagt Richter Kaul. "Aufgrund ihrer technischen Möglichkeiten können die Amerikaner zum Beispiel jeden Lastwagenkonvoi in Darfur aufspüren." Geht es nach den Richtern, sollen die USA auch als Nichtmitglied stärker in die Aufklärung von Verbrechen einbezogen werden.

Trotz aller Probleme ist Hans-Peter Kaul zuversichtlich: "Es wird noch lange dauern, bis der Internationale Strafgerichtshof wirklich eine weltweit anerkannte Institution ist. Es wird weiterhin Versuche geben, die Arbeit des Gerichtshofs zu sabotieren. Wir dürfen aber nicht hinnehmen, dass brutalste Verbrechen straflos bleiben. "