Benedikt sei arrogant und leugne die Verantwortung der Kirche für die Kolonisierung.

BRASILIA/ROM. Nach der Brasilienreise von Papst Benedikt XVI. haben Ureinwohner empört auf dessen Äußerungen zur Kolonialzeit reagiert. "Der Papst war sehr arrogant", sagte der Vorsitzende eines Verbands von Amazonas-Völkern, Gesinaldo Satere Mawe. Benedikt XVI. hatte während seines Besuchs gesagt, das Christentum sei den Urvölkern Lateinamerikas nicht auferlegt worden. Vielmehr sei Christus der Retter gewesen, den sich die Indianer im Stillen herbeigewünscht hätten. Das Wiederaufleben vorkolumbianischer Religionen bezeichnete der Papst als einen "Rückschritt".

"Viele Menschen nahmen das Christentum an, aber es wurde gewaltsam durchgesetzt", sagte Marcio Meira, Vorsitzender einer Nationalen Stiftung für Ureinwohner in Brasilien. "Seine Äußerungen sind lächerlich", erklärte Roberto Olivares, Vorsitzender eines Interessenverbands der Ureinwohner im mexikanischen Oaxaca. Der Direktor der Organisation der Ureinwohner Kolumbiens (ONIC), Luis Evelis Andrade, erklärte: "Wir können es nicht akzeptieren, dass die Kirche ihre Verantwortung für die Vernichtung unserer Kultur und unserer Identität nicht anerkennt."

Die venezolanische Ministerin für indigene Völker, die Indianerin Nizia Maldonado, bezeichnete die Kolonisierung Lateinamerikas als Völkermord. Nach Angaben des katholischen Indianermissionsrats in Brasiília wurden allein in Brasilien zwischen 1500 und 2001 etwa 1470 indianische Volksgruppen ausgerottet.

Im Zuge der von der katholischen Kirche unterstützten Kolonisierung Südamerikas wurden Ureinwohner millionenfach versklavt, ermordet oder durch eingeschleppte Krankheiten getötet. Der Vorgänger von Benedikt XVI., Papst Johannes Paul II., hatte bei einem Besuch 1992 um Vergebung für die Rolle gebeten, welche die europäischen Christen bei der Eroberung Amerikas spielten.

Unterdessen warnten in Brasilien Bischöfe, Theologen, aber auch Sozialwissenschaftler vor oberflächlichen Schlüssen. Benedikt XVI. kenne die komplexen Probleme Brasiliens und Lateinamerikas sehr genau; er habe interessante Schwerpunkte gesetzt und überraschende Signale ausgesandt, betonen viele Kommentatoren. "Er hat uns nicht kritisiert, ganz im Gegenteil", betont Antonio Celso Queiros, scheidender Vizepräsident der Brasilianischen Bischofskonferenz. "Der Papst will, dass die Kirche im politischen Leben des Landes noch viel präsenter ist." Nach Ansicht des kolumbianischen Bischofs Hector Gutierrez Pabon ist Benedikt XVI. indessen wichtig, dass sich Kirche und Politik nicht vermischen: "Wenn die Kirche konkret Parteipolitik betreibt, wissen wir aus Erfahrung, dass dies die Gemeinden spaltet." In einem von offenen und verdeckten Bürgerkriegen sowie dramatischer sozialer Not gezeichneten Lateinamerika habe der Papst aber seinen Bischöfen den Rücken gestärkt.

Fernando Altemeyer, "Cheftheologe" der Katholischen Universität São Paulo, betont anerkennend, dass sich Benedikt XVI. gegen Geld-und Machtgier in der Politik und Wirtschaft gewandt habe. "Die ganze Region erwartet nun vom Papst eine Sozialenzyklika, die die kapitalistische Hegemonie kritisiert und auf drängende Probleme wie Agrarreform, Ökologie, Auslandsverschuldung und Gewalt in den Städten eingeht." Zudem hatte der Papst zu einer neuen "Evangelisierungsoffensive" von Priestern und Laien aufgerufen. Brasilianische Theologen räumten ein, die Kirche habe das den Latinos so wichtige Mystisch-Spirituelle vernachlässigt.