BAGDAD. Die junge Frau liegt unter geblümten schweren Decken auf dem Bett. Sie trägt ein rosafarbenes Kopftuch. Ihr Gesicht verschwindet hinter schwarzem Stoff. Nur die dunklen, tränennassen Augen der jungen Irakerin sind zu sehen. Sabrine al-Dschaburi (20) aus dem Bagdader Viertel al-Amel erzählt in einem Fernsehinterview in allen Details, wie sie von drei irakischen Polizeioffizieren geschlagen und vergewaltigt wurde. Ihr Auftritt im arabischen Fernsehsender al-Dschasira könnte dafür sorgen, dass sich die Spirale von Hass, Gewalt und Gegengewalt im Irak künftig noch schneller dreht als bisher. Denn in der konservativen irakischen Gesellschaft gilt eine Vergewaltigung als schwerer Angriff auf die Familienehre, der gesühnt werden muss.

Nur wenige Stunden nach der Ausstrahlung des Interviews mit der verheirateten Sunnitin wird sie von schiitischen Regierungsbeamten als Lügnerin geschmäht. Die Affäre um die angebliche Misshandlung der jungen Frau könnte nach Einschätzung irakischer Beobachter eine Serie von "Vergeltungsangriffen" auf Polizisten und schiitische Zivilisten nach sich ziehen.

Trotz der Sicherheitsoffensive in Bagdad haben gestern wieder zwei Selbstmordattentäter ein Dutzend Menschen in den Tod gerissen. Ein weiterer Anschlag kostete mindestens sechs Menschen das Leben. Seit Sonntag meldeten die Sicherheitskräfte mehr als 100 Todesopfer aus der irakischen Hauptstadtregion. Einer der Attentäter sprengte sich inmitten einer Trauerfeier in die Luft.