Strafgerichtshof: In Den Haag geht es um 300 000 Tote im Sudan - bedrückende Herausforderung für den Juristen Hans-Peter Kaul

Hamburg. Das Mandat ist einmalig, die Herausforderung gewaltig: Es gilt, die Täter eines Massenmordes zur Strecke zu bringen. 300 000 Tote stehen zur Verhandlung, ein barbarischer Bürgerkrieg im Sudan, eines der schlimmsten Gemetzel der Gegenwart. Drei Richter des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag haben über die Verbrechen in der westsudanesischen Krisenregion Darfur zu befinden - "und die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen sind ganz erheblich", sagte Hans-Peter Kaul dem Abendblatt.

Kaul (62), einziger deutscher Richter am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag, darf sich zwar nicht zu laufenden Ermittlungen äußern, doch seine Empörung über die Behinderungen durch das Regime in Khartum kann er nicht verbergen. "Die sudanesische Regierung läßt es nicht zu, daß unsere Ermittler an den Tatorten der Verbrechen Erkundigungen einziehen", sagte Kaul am Rande einer Podiumsdiskussion beim Hamburger Institut für Sozialforschung. Damit stünden die Ermittlungsteams der Haager Anklagebehörde vor dem Problem, Verdachtsfälle zu untersuchen, ohne an den Tatorten Betroffene, Opfer und Zeugen vernehmen zu können.

Die Anklagebehörde habe sich inzwischen darauf verlegt, Untersuchungsteams - bestehend aus 20 bis 25 hochspezialisierten Ermittlern im Alter zwischen 30 und 35 Jahren - in den benachbarten Tschad zu entsenden. Dort haben Zehntausende Sudanesen Zuflucht gesucht, die in riesigen Flüchtlingslagern untergebracht sind. Aber dort, so Kaul, gestalteten sich die Ermittlungen schwierig: "Viele Opfer, Betroffene und Angehörige sind derart traumatisiert oder entwürdigt, daß sie nicht über das reden wollen, was ihnen zugefügt worden ist." Es gelte, "aus den Erkenntnissen ein riesiges Mosaikpuzzle zusammenzustellen, aus dem sich ein Bild der Verantwortlichen zusammenfügt", sagte Kaul.

In Darfur terrorisieren arabische Reitermilizen (Dschandschawid), gedeckt durch das sudanesische Militär seit Jahren die schwarzafrikanische Bevölkerung, vertreiben die Menschen aus ihren Dörfern, morden, vergewaltigen, entführen und brandschatzen. Ein Friedensvertrag existiert bislang nur auf dem Papier. Der Uno-Sicherheitsrat hatte den Fall an das Haager Gericht überwiesen. Und in 51 Fällen, das haben Uno-Mitarbeiter bestätigt, gibt es einen "begründeten Anfangsverdacht". Die Täter, ob Regierung, Milizen oder Rebellen, müssen nun mit ihrer Strafverfolgung rechnen.

Freilich, für sie ist Den Haag noch weit. Der erste mutmaßliche Kriegsverbrecher, der sich derzeit vor dem Gerichtshof verantworten muß, ist der kongolesische Rebellenführer Thomas Lubanga. Kaul ließ es sich nicht nehmen, als Zuschauer bei der ersten Anhörung des Warlords dabeizusein. Lubanga wird vorgeworfen, im Osten des Kongos Kinder unter 15 Jahren verschleppt und sie als Kindersoldaten mißbraucht zu haben.

Der Gerichtshof, der gegen den Widerstand der USA durchgesetzt wurde, macht nun Ernst. Kaul weiß, daß das Gericht gemessen wird an seinem Anspruch, "zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit auf Dauer und überall in der Welt Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und schwere Kriegsverbrechen zu verfolgen".