US-Wahlkampf: Vietnam-Kämpfer lancieren Kampagne gegen den Präsidentschaftskandidaten der Demokraten.

Washington. Wieder einmal konzentriert sich die Debatte in den USA auf einen Krieg. Doch trotz des blutigen Chaos in Nadschaf nicht auf den im Irak - sondern auf einen Krieg, der schon mehr als 30 Jahre vorbei ist. Der demokratische Präsidentschaftskandidat John Kerry sieht sich in eine erbitterte Debatte über seine Vergangenheit als Vietnamkämpfer verwickelt. Vorwürfe einer Veteranengruppe, er habe seine Heldentaten erfunden und zudem mit seinem späteren Protest gegen den Krieg seine Kameraden verraten, setzen dem Herausforderer von Präsident George W. Bush schwer zu.

Es steht nicht weniger als Kerrys Glaubwürdigkeit auf dem Spiel. Denn schließlich hat der Senator seine Vorgeschichte als junger Mann, der freiwillig nach Vietnam ging, und als Schnellboot-Kommandant, der mit Medaillen für seine Tapferkeit und seine Wunden ausgezeichnet wurde, in den Mittelpunkt seiner Kampagne gestellt - um sich als Oberbefehlshaber der Armee zu empfehlen. Der Ausgang dieser Debatte könnte für Kerrys "Hoffnungen auf den Sieg im Herbst entscheidend sein", urteilte die "New York Times".

In einem Fernsehspot wirft eine Gruppe namens "Swift Boat Veterans for Truth" ("Schnellbootveteranen für die Wahrheit") dem Senator vor, er habe gelogen, um zwei seiner Medaillen zu erhalten. Ein zweiter Spot dieser Gruppe, der in den nächsten Tagen ausgestrahlt werden soll, könnte vielleicht noch mehr Schaden für Kerry anrichten. Darin werden Auszüge aus seinem Auftritt 1971 vor dem Kongress gezeigt, in dem der damals 27-jährige Vietnam-Rückkehrer von anderen US-Soldaten verübte Gräuel anprangerte: Sie hätten "vergewaltigt, Ohren abgeschnitten, Köpfe abgeschnitten", wird Kerry zitiert. Der Veteran Ken Cordier kommentiert dies in dem Spot mit den Worten: "Er hat uns in der Vergangenheit verraten - wie können wir ihm gegenüber jetzt loyal sein?"

Auch wenn immer wieder frühere Kameraden Kerrys Angaben über die Vietnam-Zeit bezeugen - die Angriffe der "Swift Boat Veterans" haben ihre Wirkung gezeigt. Eine Umfrage des Senders CBS ergab, dass Kerrys Zustimmungsrate unter den Veteranen 18 Prozentpunkte hinter die von Bush absackte. Die 27 Millionen Veteranen machen rund 20 Prozent der Wählerschaft aus. Und eine Umfrage der University of Pennsylvania zeigte, dass 44 Prozent der parteiunabhängigen Wähler die Angriffe auf Kerry für glaubwürdig halten - die Stimmen der Unabhängigen könnten bei der Wahl am 2. November den Ausschlag geben.

Nach tagelangem Schweigen hat Kerry nun Bush bezichtigt, er lasse die Veteranen-Gruppe "die schmutzige Arbeit" verrichten und den Präsidenten aufgefordert, persönlich die Kampagne zu beenden. Ferner lancierte er eine Gegenanzeige, in dem ein pensionierter Luftwaffengeneral dem Demokraten die Befähigung zum Oberbefehlshaber attestiert, und reichte Beschwerde bei der Wahlkommission gegen die "Swift Boat Veterans for Truth" ein, da deren Spots mit dem Bush-Team "illegal koordiniert" seien.

Der Präsident bestreitet, mit der Veteranengruppe irgendetwas zu tun zu haben. Die "New York Times" kam jedoch in aufwendiger Recherche zu dem Schluss, dass es ein "Netz der Verbindungen" zwischen den "Swift Boat Veterans for Truth" und der Bush-Familie, wichtigen politischen Figuren in Bushs Heimatstaat Texas und dem politischen Chefberater des Präsidenten, Karl Rove, gebe. Einer der Hauptsponsoren der TV-Spots, der texanische Geschäftsmann Bob Perry, sei langjähriger politischer Verbündeter von Rove. Und Veteranen-Oberst Ken Cordier war Mitglied in Bushs Wahlkampfteam - er wurde allerdings am Wochenende hastig gefeuert.

Kerrys Sprecherin Stephanie Cutter kündigte an, dass nun die militärische Vorgeschichte des Präsidenten erneut ins Visier genommen werden solle - Bush war durch einen eher laxen Dienst in der Nationalgarde dem Einzug nach Vietnam entgangen.