Die Münchner Staatsanwaltschaft will dem gebürtigen Ukrainer wegen Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden den Prozess machen.

Der mutmaßliche NS-Kriegsverbrecher John Demjanjuk kommt nach wochenlangem juristischen Tauziehen um seine Auslieferung offenbar schon am morgigen Mittwoch in München an. Der 89-Jährige wurde am Dienstag von Beamten der US-Einwanderungsbehörden von seinem Haus in Ohio weggebracht. Sein Sohn John Demjanjuk Jr. hatte sich zuvor bei einem Berufungsgericht erneut darum bemüht, die Auslieferung zu stoppen.

Sein Vater sei bei schlechter Gesundheit, könne nicht gehen und nicht reisen, sagte John Demjanjuk Jr. Demjanjuk wurde auf einer Trage aus dem Haus gebracht und in Anwesenheit von Angehörigen in ein wartendes Fahrzeug gesetzt. Sein Sohn kritisierte, die Beamten seien ohne vorherige Ankündigung und ohne einen versprochenen Rettungswagen vorgefahren.

Die Münchner Staatsanwaltschaft will dem gebürtigen Ukrainer wegen Beihilfe zum Mord an 29.000 Juden den Prozess machen. Demjanjuk soll 1943 als KZ-Aufseher im Vernichtungslager Sobibor Menschen von den Zügen in die Gaskammern getrieben haben. Er bestreitet das. "Es könnte sein, dass er (Demjanjuk) morgen kommt", sagte sein Münchner Anwalt Günther Maull. Ein Sprecher des Bundesjustizministeriums in Berlin erklärte am Dienstag, Demjanjuk werde "in den nächsten Tagen" in Deutschland erwartet.

Der Berufungsausschuss der US-Einwanderungsbehörde hatte am Karfreitag Demjanjuks Antrag abgelehnt, das Abschiebeverfahren neu aufzurollen. Sein Sohn hatte darauf Rechtsmittel beim US-Berufungsgericht in Ohio angekündigt und auf schwere Krankheiten seines Vaters verwiesen. Pflichtverteidiger Maull sagte, aus den übermittelten Blutwerten Demjanjuks lasse sich keine Haft- oder Verhandlungsunfähigkeit ablesen. Dazu sei eine ärztliche Untersuchung erforderlich. Eine von Demjanjuks Wahlverteidiger Ulrich Busch angekündigte Haftbeschwerde war am Dienstagmittag noch nicht beim Amtsgericht München eingegangen, wie eine Sprecherin sagte.

Demjanjuk war nach dem Krieg in einem bayerischen Flüchtlingslager untergetaucht und 1952 in die USA ausgewandert. Er erhielt 1958 die amerikanische Staatsbürgerschaft, die ihm später aberkannt wurde. 1986 lieferten ihn die USA an Israel aus, zwei Jahre später wurde er wegen Verbrechen im Vernichtungslager Treblinka als "Iwan der Schreckliche" zum Tode verurteilt. Der Oberste Gerichtshof in Israel hob das Urteil jedoch 1993 auf, weil die Staatsanwaltschaft aus russischen Quellen erfahren hatte, dass möglicherweise eine Verwechslung vorliegt.