Nach ihrer Niederlage im Wahlkampf sind die amerikanischen Republikaner immer noch auf Selbstfindungkurs. Einer soll die gestörte Einheit wieder herstellen: Michael Steele (50) wurde als erster Afroamerikaner zum Parteichef gewählt. Doch im Hintergrund lauert Sarah Palin, die als Vize von John McCain nominiert war. Die Frau aus Alaska und ihre schrecklich nette Familie wird gerade mal wieder von Skandälchen durchgeschüttelt.

Hamburg/Washington. Nach ihrer Niederlage im US-Wahlkampf sind die amerikanischen Republikaner immer noch dabei, sich zu reorganisieren. Einer soll nun die gestörte Einheit wieder herstellen: Michael Steele (50) wurde vor sechs Wochen als erster Afroamerikaner zum Parteichef gewählt.

Der frühere Vizegouverneur von Maryland ist quasi die Antwort der Republikaner auf Obama: Ihr Präsidentschaftskandidat John McCain hatte nur fünf Prozent der schwarzen Wähler gewonnen, während George W. Bush noch elf Prozent gewann. Nun soll Steele Geld für die Parteikasse einwerben, frische Mitarbeiter in die Zentrale holen und vor allem die Selbstdarstellung der Partei verbessern.

Daran hapert es allerdings: Steeles Sprache ist allzu unverblümt. Beispielweise verglich er die Republikaner mit Trinkern, die ein "12-Schritte-Entwöhnungsprogramm" bräuchten, und versprach ihnen eine "Hip-Hop-Überarbeitung", die sogar "zweiarmige Zwerge" begeistern würde. Prompt wurde er zum Lieblingsopfer der respektlosen US-Late-Night-Shows.

Nach einem Interview mit dem Magazin "GQ" steht er jetzt aber auch innerparteilich zwischen den Fronten. Abtreibung sei eine "individuelle Entscheidung", sagte er dem Magazin. Zwar sei das Urteil des Obersten US-Gerichtshofs von 1973 (wonach Abtreibung ein "verfassungsmäßiges Recht" ist) als "Fehlentscheidung", aber jede Frau habe das Recht, sich für diesen Schritt zu entscheiden. Die Republikanische Plattform von 2008 fordert dagegen ein Verbot der Abtreibung.

Auf die Frage, ob man sich gegen Homosexualität entscheiden könne, sagte Steele", er glaube nicht, "dass man einfach sagen kann: Oh, morgen früh höre ich auf, schwul zu sein. So als könnte man sagen: Morgen höre ich auf, schwarz zu sein." Und zu der Frage, warum so wenige Afroamerikaner McCain gewählt hätten, sagte er: "Weil wir ihnen nichts geboten haben. Und wir haben den Eindruck erzeugt, als wären sie uns völlig egal."

Zahlreiche Konservative waren empört. Nach bissiger Kritik des ultrarechten Radiokommentators Rush Limbaugh und anderer Mitglieder stoppte Steele seine TV-Auftritte und schränkte Interviews ein. Der prominente Parteiaktivist Brian Ballard empfahl Steele in der "Washington Post", sich lieber auf die Parteifinanzen zu konzentrieren: "Unsere Wahlkampfschatulle ist so gut wie leer, und ich hoffe, er kümmert sich darum."

Auch der republikanische Politikberater Alex Castellanos sagte: "Es ist jetzt wichtiger, dass er die Maschine wieder zum Laufen bringt. Du kannst den Leuten nicht eine Maschine nicht anpreisen, wenn sie nicht läuft." "Die Republikaner haben gesagt, wir brauchen ein frischeres Vorgehen und einen kompletten Wandel", sagte der Parteivorsitzende von Florida, Jim Greer. "Jetzt sind die Leute sauer über das, was sie selbst gefordert haben."

Steeles Stand ist umso schwieriger, als sich gleichzeitig eine starke Kraft am rechten Rand der Partei formiert: Sarah Palin (45), McCains Vize-Kandidatin, hat eine eigene Wahlkampfplattform gegründet. "SarahPAC" (political action committee) soll die Popularität bündeln, die Palin vor allem bei konservativen Amerikanern auf dem Lande genießt, und Geld für Auftritte im ganzen Land sammeln. "Sie plant ein zwangloses, aber bewusst betriebenes Engagement für ein Comeback im Wahlkampf 2012", urteilt der Londoner "Guardian".

Die Nachricht, dass ihre 17-jährige Tochter Bristol ihre Verlobung mit dem 19-jährigen Schulfreund Levi Johnston wieder gelöst habe und ihr im Januar geborenes Baby allein großziehen will, bescherte Palin allerdings die Art Publicity, über die sie sich häufig beklagt.

Die Familien-Harmonie, die im Wahlkampf vorgespielt wurde, war nach US-Zeitungsberichten begrenzt. Nach Angaben von Levi Johnstons Schwester soll ihm Bristol Kontakt zu dem Kind erschwert haben mit der Begründung, sie wolle das Baby "von ‚white trash’ fernhalten". Bristol konterte in einem Statement, viele Menschen hätten alles getan, "um aus dem Namen Palin Kapital zu schlagen".

Im Wahlkampf hatte ein ganzes Team republikanischer Berater daran gearbeitet, Bristols überraschende Teenager-Schwangerschaft zu einem Beweis für Palins Anti-Abtreibungs-Überzeugung umzumodeln. Im Zuge der Begeisterung für den Kinofilm "Juno" war das minderjährige Paar stets in Palins Wahlkampfauftritte eingebaut worden.