US-Präsident Barack Obama hat Russland einem Bericht der „New York Times“ zufolge einen Verzicht Washingtons auf die geplante Aufstellung einer Raketenabwehr in Mitteleuropa angeboten. Im Gegenzug solle Moskau dabei helfen, die Entwicklung von iranischen Langstreckenraketen zu verhindern. Russland reagierte allerdings zunächst kühl auf die Offerte.

Washington. Politische "Tauschgeschäfte" werde es nicht geben, meinte der russische Präsident Dimitri Medwedew nach Angaben der Agentur "Interfax". Obama suchte den Bericht zu relativieren.

Der Inhalt seine Schreibens an Medwedew sei "nicht akkurat wiedergegeben", sagte Obama. Allerdings räumte er zugleich ein, dass "in dem Maße, in dem wir den iranischen Einsatz für Nuklearwaffen vermindern ...dies den Druck und die Notwendigkeit eines Raketenabwehrsystems vermindert." Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung sprach bei einem Besuch in Moskau von Entspannungssignalen im Dauerstreit um die geplante US-Raketenabwehr in Polen und Tschechien.

Der von Ex-US-Präsident George W. Bush vorangetriebene Raketenschild belastet die amerikanisch-russischen Beziehungen seit Jahren. Die Pläne sehen die Stationierung von zehn Abwehrraketen in Polen sowie eines Radarsystems in Tschechien als Schutz gegen mögliche Raketenangriffe aus dem Iran vor. Zwar hatten die USA stets betont, die Raketen richteten sich nicht gegen Russland, dennoch hatte Russland von Beginn an massiv protestiert. Medwedew hatte unlängst gedroht, Russland könnte mit einer Stationierung von Iskander-Raketen in der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad reagieren.

Der "geheime" Brief Obamas sei Medwedew von einem ranghohen US- Regierungsbeamten vor drei Wochen überreicht worden, berichtet die "New York Times". Darin heiße es, die USA benötigten das Raketenabwehrsystem nicht, falls der Iran jede Anstrengungen einstelle, Nuklearsprengköpfe und ballistische Raketen zu bauen. Nach Angaben der Zeitung hat Russland zunächst auf den Brief offiziell nicht reagiert.

Moskau werde sich nur mit konkreten Vorschlägen zur Raketenabwehr befassen, die den amerikanischen, europäischen und russischen Sicherheitsinteressen genügten, sagte Medwedew am Dienstag laut Interfax bei einem Besuch in Madrid. "Wir arbeiten auch so in absoluter Übereinstimmung mit unseren amerikanischen Partnern bei der Frage des iranischen Atomprogramms zusammen", sagte Medwedew.

"Wenn die neue US-Regierung hoffentlich gesunden Menschenverstand walten lässt und, sagen wir, irgendeine neue Konstruktion vorschlägt, sind wir zu Verhandlungen bereit", fügte er hinzu. Russland hatte in der Vergangenheit mehrfach den Aufbau einer gemeinsamen Raketenabwehr gegen mögliche Bedrohungen aus dem Iran vorgeschlagen. Die von Moskau dazu angebotene gemeinsame Nutzung einer russischen Radaranlage in Aserbaidschan war von Washington allerdings abgelehnt worden.

Kurz zuvor hatte Kreml-Sprecherin Natalia Timakowa erklärt, es gebe gar kein Obama-Angebot auf Raketenverzicht. Obamas Schreiben enthalte allerdings eine Reihe von Vorschlägen und Einschätzungen der gegenwärtigen Situation in der Welt. Zudem habe Medwedew den positiven Grundton des Obama-Briefes hervorgehoben, meinte Timakowa.

Russland hoffe, dass bei den bevorstehenden Treffen von Außenminister Sergej Lawrow mit seiner US-Kollegin Hillary Clinton Ende der Woche in Genf sowie von Obama und Medwedew auf dem G20- Gipfel Anfang April in London konkrete Initiativen erörtert werden könnten, fügte Timakowa hinzu.

Jung meinte nach einem Treffen mit seinem russischen Amtskollegen Anatoli Serdjukow in Moskau: "Amerika, Russland und auch Europa sollten hier zu einer gemeinsamen Entscheidung kommen." Wenn sich im Zusammenhang mit dem Iran eine neue Situation ergebe, sollte dies zwischen Russland und dem Westen gemeinsam besprochen werden.

Polen reagierte mit Enttäuschung auf den Bericht der "New York Times". Dies sei eine "schlechte Nachricht", meinte Wladyslaw Stasiak, stellvertretender Kanzleichef von Präsidenten Lech Kaczynski. Polen solle für die Raketenabwehr "weiter kämpfen", meinte Stasiak. Er warf der Regierung von Ministerpräsident Donald Tusk eine Verschleppung der Verhandlungen mit Washington vor.