Mit seiner Warnung an die Landsleute in Deutschland, sich nicht zu sehr anzupassen, hat der türkische Premier Recep Tayyip Erdogan vor Jahresfrist Negativschlagzeilen gemacht.

Gestern hörte er sich deutlich anders an: Erdogan bat im Anschluss an einen privaten Besuch in Deutschland Journalisten ins Airport-Hotel von Hannover, ließ den eigenen Flieger anderthalb Stunden warten, um seine "Vision einer zeitgemäßen Türkei" zu erläutern, die alle Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in der EU erfüllt und deren Staatsbürger in Deutschland Deutsch lernen sollen.

Die Türkei, so der eine Teil seiner Botschaft, werde für Europa keine Last darstellen: "Das kann der Europäischen Union neuen Schwung geben." Dies gelte besonders für Deutschland als dem wichtigsten Wirtschaftspartner seines Landes mit einem Handelsvolumen von 28 Milliarden Euro. Die Türkei sei zudem eine "Brücke" zwischen Europa und dem Nahen Osten. Ein Dorn im Auge ist ihm allerdings in diesem Zusammenhang die noch immer geltende deutsche Visumpflicht, die die türkischen Geschäftsleute behindere: "Das ist unlauterer Wettbewerb."

Ausdrücklich begrüßte Erdogan dagegen den deutschen Integrationspakt: "Wir sind bereit mitzuarbeiten." Und er forderte seine mehr als drei Millionen Landsleute in Deutschland ausdrücklich auf, "den Erwerb der deutschen Sprache und Bildung nicht zu vernachlässigen". Dies sei wichtig vor dem Hintergrund auch der Tatsache, dass die Arbeitslosenquote in Deutschland bei acht, die der Türken in Deutschland aber bei 30 Prozent liege. Auf der anderen Seite gebe es inzwischen in Deutschland 70 000 türkische Betriebe mit zusammen 350 000 Beschäftigten.

Im Umkehrschluss wünschte sich Erdogan ein Deutschland, "in dem die Mitglieder der türkischen Gemeinschaft nicht diskriminiert werden und sich sicher fühlen". In vorangegangenen Landtagswahlkämpfen habe es Parteien gegeben, bei denen "die Rhetorik an Fremdenfeindlichkeit grenzte". Er hoffe, dass sich das nicht wiederhole.

Danach gefragt, ob denn das deutsch-türkische Verhältnis zu Zeiten des Bundeskanzlers Gerhard Schröder (SPD) besser gewesen sei als unter der Kanzlerin Angela Merkel (CDU), blieb er dann doch lieber allgemein. Schröder, zu dessen 65. Geburtstag er am Vorabend gekommen war, bleibe sein "enger Freund bis zum Tod", aber auch Angela Merkel sei in der Türkei "jederzeit herzlich willkommen".