Die Sozialisten um Präsident François Hollande haben die Wahlen zur Nationalversammlung nach Hochrechnungen klar gewonnen.

Paris. Politischer Erdrutsch in Frankreich: Die französischen Sozialisten haben am Sonntag den Prognosen zufolge nach dem Präsidentenamt auch das Parlament erobert. Laut den Umfragen wollten die Franzosen ihren neuen Präsidenten François Hollande mit einer klaren Mehrheit im Parlament ausstatten und seinen Sozialisten 307 bis 326 Sitze geben. Die absolute Mehrheit liegt bei 289 Sitzen. Für die Konservativen sehen die Institute nur 206 bis 221 Sitze voraus. Damit könnten die Sozialisten auch ohne ihre Koalitionspartner von den Grünen regieren, die bei 20 Sitzen liegen. Den Rechtsradikalen der Front National wurden nur ein bis zwei Sitze zugetraut.

+++ Sozialisten in Frankreich vor der absoluten Mehrheit +++
+++ Hollande will bei Parlamentswahl Macht absichern +++

Damit verfügen die Sozialisten über das Präsidentenamt, über die Mehrheit in der Nationalversammlung und im Senat sowie über die Mehrheit in den Regionen. Niemals zuvor hatte sie eine derartige Machtfülle in der 5. Republik seit 1958. Die sozialistische Parteichefin Martine Aubry bedankte sich im Fernsehsender France 2 für „das Vertrauen, das uns ehrt und uns viel Verantwortung auflegt“. Der sozialistische Außenminister Laurent Fabius wertete das Votum als eine Bestätigung des politischen Wechsels durch den Präsidenten: „Die Franzosen wollten eine linke Mehrheit und eine linke Politik.“

Aber in La Rochelle wurde die frühere Präsidentschaftskandidatin der Sozialisten, Ségolène Royal, von dem abtrünnigen Sozialisten Olivier Falorni geschlagen. Sie sprach von „politischem Verrat“. Das Duell hatte großes Aufsehen ausgelöst, denn die Partnerin Hollandes, Valérie Trierweiler, hatte sich in einer Twitter-Nachricht für Falorni ausgesprochen und damit gegen Hollandes frühere Lebensgefährtin Royal. Das hatte einen Sturm der Entrüstung bei den Sozialisten gegen Trierweiler ausgelöst. Royal hatte schon am Nachmittag der spanischen Tageszeitung „El País“ erklärt, sie gebe ihren Plan auf, Parlamentspräsidentin zu werden. Royal ist auch Präsidentin der Region Poitou-Charentes.

In Hénin-Beaumont bei Lille wurde die Rechtsradikale Marine Le Pen mit 49,89 Prozent von ihrem sozialistischen Gegner Philipp Kemel mit 50,11 Prozent geschlagen. Der Abstand betrug nur 130 Stimmen. Dagegen wurde Le Pens 22-jährige Nichte Marion Maréchal-Le Pen in Carpentras bei Avignon gewählt. Der staatliche belgische Rundfunk RTBF hatte schon am Nachmittag auf seiner Internetseite berichtet, die Linke habe die Wahl in der Karibik und in Südamerika gewonnen. Demnach holte sie alle drei Wahlkreise auf Guadeloupe und zwei auf Martinique. Außerdem seien zwei unabhängige Kandidaten auf Martinique gewählt worden. In Guyana gewannen zwei Sozialisten. Die Übersee-Départements hatten bereits am Samstagnachmittag deutscher Zeit mit der Abstimmung begonnen.

Die geringe Wahlbeteiligung, die auf 56 Prozent geschätzt wurde, müsste den Sozialisten zugutekommen sein, denn traditionell bleiben die Anhänger des unterlegenen Präsidentschaftskandidaten bei der folgenden Parlamentswahl zuhause.

Hollande für Finanztransaktionssteuer

Hollande will einem Zeitungsbericht zufolge 120 Milliarden Euro ausgeben, um das Wachstum in Europa anzukurbeln. Das Geld solle in Investitionen für „intelligente Netze“ gesteckt werden, in erneuerbare Energien, in die Nanotechnik und in die Biotechnik, schrieb die Pariser Sonntagszeitung „Le Journal du Dimanche“.

Vorgesehen sei auch eine Finanztransaktionssteuer. Finanziert werden solle der Plan durch ungenutzte Hilfsfonds der EU und eine Kapitalerhöhung der Europäischen Investitionsbank. Einen entsprechenden Plan habe Hollande an die Partnerregierungen geschickt zur Vorbereitung auf den EU-Gipfel am 28. und 29. Juni. Hollande hatte am Samstagnachmittag mit Bundeskanzlerin Angela Merkel ein Telefongespräch über den EU-Gipfel, Griechenland und den G-20-Gipfel in Mexiko geführt.

42 Millionen Franzosen sind wahlberechtigt

In Frankreich gilt das Mehrheitswahlrecht in allen 577 Wahlkreisen. Eine Zweitstimme und damit einen Ausgleich über Listen der Parteien wie in Deutschland gibt es nicht.

Der sozialistische Wirtschafts- und Finanzminister Pierre Moscovici wurde gewählt. Premierminister Jean-Marc Ayrault, der in Nantes im ersten Wahlgang gewählt wurde, hatte angekündigt, dass Minister und Staatssekretäre, die sich zur Wahl stellen, erfolgreich sein müssen. Ansonsten würden sie auch ihr Amt verlieren.

Geschlagen wurde der liberale Präsidentschaftskandidat François Bayrou. Er erhielt nur 30,17 Prozent.

Gut 42 Millionen Franzosen entschieden über die restlichen 541 Sitze in der Nationalversammlung. Beim ersten Wahlgang vor einer Woche hatten 36 Abgeordnete ihren Wahlkreis schon mit absoluter Mehrheit erobert.

Mit Material von dapd