IWF-Chefin Christine Lagarde liest Athen die Leviten und fordert Gegenleistung für Hilfe. Ihr Mitleid für die Griechen hält sich in Grenzen.

London/Berlin. Die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, liest den Griechen die Leviten. Sie habe mehr Mitleid mit den Ärmsten in Afrika als mit den Menschen in dem verschuldeten Euro-Land, sagte die frühere französische Finanzministerin in einem Interview. Die Griechen sollten sich selber helfen, "indem sie alle ihre Steuern bezahlen". Es sei Zeit, dass das Land seine Gegenleistung für die internationalen Milliardenhilfen erbringe, sagte sie drei Wochen vor der Parlamentswahl in Athen.

Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich warnte in der "Leipziger Volkszeitung": "Wir sind nicht bereit, Geld in ein Fass ohne Boden zu kippen." Der künftige Chef der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen, setzt nicht mehr auf das EU-Mitglied: "Griechenland ist das einzige Land, von dem wir meiner Meinung nach sagen können, dass es ein gescheiterter Staat ist", sagte er. Sollten bei der Abstimmung am 17. Juni die Gegner der mit den Geldgebern vereinbarten Sparprogramme gewinnen, droht Griechenland ein Ende der Hilfen und ein Ausscheiden aus der Euro-Zone. In Umfragen zeichnete sich jetzt aber wieder ein Vorsprung für die Parteien ab, die den verabredeten Kurs fortsetzen wollen. Vier Befragungen zufolge liegt die konservative Neue Demokratie (ND) knapp vor den Spar-Gegnern. Zusammen mit ihrem bisherigen Koalitionspartner Pasok käme sie auf eine Mehrheit von elf bis 16 Sitzen.

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Lagarde äußerte trotz der tiefen Einschnitte bei Löhnen und Sozialleistungen und der hohen Arbeitslosigkeit wenig Bedauern über die Lage des westeuropäischen Staates: "Ich denke mehr an die Kinder, die in einem kleinen Dorf im Niger in die Schule gehen und zwei Stunden Unterricht am Tag erhalten, sich zu dritt einen Stuhl teilen und sehr froh sind, eine Ausbildung zu bekommen", sagte sie dem britischen "Guardian". "Ich habe sie immer im Auge, weil ich glaube, dass sie sogar mehr Hilfe brauchen als die Menschen in Athen."

Die Französin wird in dem Interview so deutlich wie noch kein Politiker seit Griechenland nicht mehr selbst für sein Auskommen sorgen kann. Auf die Frage, ob sie es als schwieriger empfinde, einem reichen Land harte Bedingungen aufzuerlegen als einem armen, antwortete die IWF-Chefin: "Nein, es ist nicht schwieriger. Weil es die Aufgabe des Fonds und mein Job ist, die Wahrheit zu sagen, unabhängig davon, wer auf der anderen Seite des Tisches sitzt. Und ich sage Ihnen: Es ist manchmal schwieriger, der Regierung eines Landes mit niedrigen Einkommen, wo die Menschen von 3000 oder 5000 Dollar pro Kopf im Jahr leben, zu sagen, bringt euren Haushalt in Ordnung und baut euer Defizit ab. Weil ich weiß, was das für die sozialen Programme und die Unterstützung der Armen bedeutet. Das hat viel größere Folgen."