Krise zwischen China und den Philippinen zeigt: Immer aggressiver erhebt Peking Anspruch auf Seegebiete zulasten der Anrainerstaaten.

Hamburg. Im Plauderton bemerkte der Moderator des staatlichen chinesischen Fernsehsenders während der Abendnachrichten zu seinem Kollegen am Tisch: "Wir alle wissen, dass die Philippinen Chinas ureigenes Territorium sind und dass die Philippinen unter Chinas Souveränität fallen - das ist eine unbestreitbare Tatsache." Zwar entfernte die chinesische Regierung diesen bemerkenswerten Ausschnitt vom 7. Mai schnell von der CCTV-Website, doch er hatte die schwelende politische Krise zwischen den Philippinen und China längst weiter angefacht.

Wie das US-Nachrichtenmagazin "Time" berichtete, war die Nachrichtensendung Teil eines großen Reports über die Spannungen im Chinesischen Meer; einem riesigen Seegebiet des Pazifiks, das das Gelbe Meer, das Ost- und das Südchinesische Meer vereinigt.

+++ China weist ausländische Korrespondentin aus +++

Vor allem das Südchinesische Meer mit seiner strategischen Bedeutung ist zwischen mehreren Anrainerstaaten umstritten und birgt das Potenzial für erbitterte Territorialkriege. Peking beansprucht nahezu das gesamte, 3,5 Millionen Quadratkilometer umfassende Seegebiet für sich und trägt diesen Anspruch immer aggressiver vor.

Im Streit mit den Philippinen um einige Inseln druckte die Zeitung der Volksbefreiungsarmee einen knallharten Leitartikel, in dem es hieß, China werde es nicht hinnehmen, dass jemand ihnen die Souveränität über die Huangyan-Inseln wegnehme, die im philippinischen Sprachgebrauch Panatag-Riff oder international Scarborough-Riff heißen. Chinas Regierung werde das nicht hinnehmen, das Volk auch nicht - und die Armee schon gar nicht.

Am 10. April war es dort am Scarborough-Riff beinahe zu einem Seegefecht gekommen, als philippinische Kriegsschiffe acht chinesische Fischerboote aufbrachten, große Mengen illegalen Fangs beschlagnahmten - und die chinesische Marine intervenierte. Die mit Guano bedeckten Eilande liegen 220 Kilometer vor der philippinischen Hauptinsel Luzon und 870 Kilometer von China entfernt. Chinas Vizeaußenminister Fu Ying warnte Manila: "Es ist offensichtlich, dass die philippinische Seite nicht begriffen hat, dass sie einen ernsten Fehler begeht und die Spannungen eskalieren lässt." Drohend fügte Fu hinzu, dass China "alle Vorbereitungen" getroffen habe, um auf jede Eskalation der philippinischen Seite zu antworten. Manila solle sofort alle seine Schiffe aus dem Seegebiet abziehen.

Der Außenminister der Philippinen, Albert del Rosario, bestellte indessen den chinesischen Botschafter ein und erklärte ihm, die Inseln seien "integraler Bestandteil des philippinischen Territoriums". Einen Vorschlag Manilas, den Streit vor dem Internationalen Seegerichtshof in Hamburg entscheiden zu lassen, lehnte Peking ab. Wie die "New York Times" schrieb, sind einige westliche Analysten der Ansicht, Chinas aggressiver Kurs im Südchinesischen Meer stehe im Zusammenhang mit internen Machtkämpfen innerhalb der Pekinger Führungselite. Als weiteren Schritt haben Chinas Behörden jetzt philippinische Bananen-Lieferungen für "längere Inspektionen" festgehalten - offiziell aus Quarantäne-Gründen. Es seien "Insekten und Bakterien" auf den Früchten gefunden worden, wurde behauptet.

+++ USA und China beschließen Maßnahmen zur Marktöffnung +++

Das Südchinesische Meer ist auch wegen seines dort vermuteten Reichtums an Öl, Gas und Bodenschätzen sehr begehrt. Die Anrainerstaaten sind neben China und den Philippinen auch Indonesien, Taiwan, Vietnam, Malaysia, Brunei, Singapur, Thailand und Kambodscha. Sie fühlen sich inzwischen von Chinas Ansprüchen bedroht.

Als Pulverfass gilt vor allem die Inselgruppe der Spratlys, unter denen viel Öl liegen soll. Die mehr als 100 Inseln und winzigen Atolle werden von China, Vietnam und Taiwan zur Gänze, von Malaysia, Brunei und den Philippinen teilweise beansprucht. Bis auf Brunei haben alle diese Staaten bereits zahlreiche der Inseln besetzt, auf 40 von ihnen gibt es Militärgarnisonen. Die Philippinen und sogar der ehemalige Kriegsgegner der USA, Vietnam, veranstalteten jüngst mit der US-Navy groß angelegte Flottenmanöver.

Allerdings bemühen sich die USA, sich nicht an der Seite Manilas in eine direkte Konfrontation mit China ziehen zu lassen. US-Präsident Barack Obama benötigt Pekings guten Willen bei der Lösung der Krisen um den Iran, Nordkorea oder Syrien. Zwar hatte US-Außenministerin Hillary Clinton bei einem Besuch in Manila im November 2011 Hilfe bei der Verteidigung der philippinischen Seegrenzen zugesagt, aber dabei ist es im Wesentlichen geblieben. Enttäuscht bezeichnete der philippinische Senator Joker Arroyo sein Land als "Waisenkind ohne Freunde". Hunderte Menschen protestierten am Freitag in Manila gegen Chinas Machtansprüche.

Auch nördlich dieses umstrittenen Seegebiets gibt es immer wieder Konfrontationen. Im September 2010 drohte Chinas Ministerpräsident Wen Jiabao mit "weiteren Maßnahmen", sollte Japan nicht unverzüglich Kapitän und 14-köpfige Crew eines chinesischen Fischkutters freilassen. Das Schiff hatte in den Gewässern der Senkaku-Inseln gefischt - die in China Diaoyu heißen - und ein Boot der japanischen Küstenwache gerammt. Auch dieser Streit um Bodenschätze und Fischereirechte hat sich seit Jahren verschärft. Unter Bruch eines Abkommens von 2008, wie Tokio erklärte, habe China zudem einseitig die Gasförderung in dem umstrittenen Gebiet aufgenommen.

Zur Krise im Südchinesischen Meer hatte die chinesische Zeitung "Global Times" am 9. Mai unter der Überschrift: "Frieden wird ein Wunder sein, falls die Provokation anhält" geschrieben, die Philippinen benötigten aufgrund ihres "aggressiven Nationalismus" eine Lektion. Falls jemand China für einen "Papierdrachen" halte, liege er "furchtbar falsch".