Vermeintlicher Al-Qaida-Attentäter war Doppelagent der Saudis und der Amerikaner. Bin Ladens Nachfolger planen weitere Attacken.

Hamburg. Die Geschichte hat alle Elemente, aus denen man einen Hollywood-Thriller à la "Mission: Impossible" machen könnte. Wie sich herausstellte, war jener Al-Qaida-Terrorist, der angeblich mit einer raffinierten Bombe in der Unterwäsche eine Verkehrsmaschine zum Absturz bringen wollte (das Abendblatt berichtete), in Wahrheit ein Agent des saudischen Geheimdienstes und der CIA.

Wie es zunächst hieß, sei der Mann während der Vorbereitung des Anschlags enttarnt worden. Tatsächlich jedoch war er ein Doppelagent, hatte sich als vermeintlicher Kandidat für einen Selbstmordanschlag beworben und war in eine Schlüsselposition der Terrororganisation al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel (AQAP) vorgedrungen, die vom Jemen aus operiert. AQAP gilt als derzeit gefährlichste und aktivste Filiale des von Osama Bin Laden gegründeten Netzwerks. Der Terrorfürst war Anfang Mai 2011 von einer US-Eliteeinheit in Pakistan aufgespürt und erschossen worden. Der geplante Anschlag auf das Verkehrsflugzeug sollte eine Rache für Bin Ladens Tod sein.

+++ Anschlag der al-Qaida auf Passagierflugzeug verhindert +++

Doch der saudische Doppelagent - der inzwischen mitsamt seiner Familie in Saudi-Arabien in Sicherheit gebracht wurde - vereitelte in seiner riskanten Mission nicht nur diesen Plan und lieferte die bereits fertiggestellte Bombe an die CIA ab. Zuvor hatte er nach US-Medienberichten bereits den Aufenthaltsort eines der meistgesuchten Terroristen verraten: des Jemeniten Fahd Mohammed al-Quso. Der Leiter für auswärtige Operationen von AQAP war unter anderem Drahtzieher des Anschlags auf den Zerstörer "USS Cole" im Hafen von Aden, bei dem im Oktober 2000 17 US-Seeleute starben. Er steckte auch hinter dem gescheiterten Anschlag des "Unterhosenbombers" Umar Faruk Abdulmutallab am ersten Weihnachtstag 2009 auf eine Verkehrsmaschine im Anflug auf Detroit.

Am vergangenen Sonntag wurde al-Quso, auf dessen Ergreifung Washington fünf Millionen Dollar ausgesetzt hatte, im Jemen von einer amerikanischen Kampfdrohne getötet, als er aus seinem Auto stieg. Er hatte erst gerade den "Bin Laden des Internets", den Jemeniten mit amerikanischer Staatsbürgerschaft Anwar al-Awlaki als ein regionaler Befehlshaber von al-Qaida beerbt. Der Hassprediger al-Awlaki, der Aktivisten zu mehreren Anschlägen inspiriert hatte, war im September 2011 ebenfalls von einer US-Drohne getötet worden. Da der Jemen zu einer Hauptbasis für al-Qaida geworden ist, haben die Amerikaner die tödlichen Angriffe mit den Drohnen der Typen "Predator" (Raubtier) und "Reaper" (Sensenmann) stark intensiviert.

Der von dem nigerianischen Studenten Abdulmuttallab verwendete Sprengsatz, den er in der Luft zünden wollte, bestand aus Nitropenta und war so in seine Unterhose eingenäht worden, dass er auch beim Abtasten nicht gefunden werden konnte. Der Zünder sollte mittels einer mit Kaliumpermanganat und Ethylenglykol gefüllten Spritze aktiviert werden, doch er geriet lediglich in Brand. Abdulmuttallab war von al-Awlaki angeworben worden und hatte sich mit al-Quso getroffen.

+++ Jemen: Doppelagent vereitelte al-Qaida-Anschlag +++

Wie Experten des FBI-Labors in Quantico mitteilten, sei der von dem saudischen Doppelagenten mitgebrachte Sprengsatz ebenfalls passgenau in eine Unterhose eingenäht worden und hätte auf zweierlei Weise gezündet werden können, um eine "Pleite" wie jene von Detroit zu vermeiden. Auch habe er keine Metallteile aufgewiesen, die von den Detektoren an den Flughäfen leicht zu entdecken wären. "Es war eine weiterentwickelte Vorrichtung, die einige Fehlersicherungen eingebaut hatte - und das macht uns Sorgen, denn es sagt uns, dass al-Qaida einige sehr fähige Leute zusammengebracht hat, um so etwas zu bauen", sagte der republikanische Kongressabgeordnete Mike Rogers, der dem Geheimdienstkomitee des Repräsentantenhauses vorsteht, im US-Sender CNN.

Ein Regierungsbeamter aus Washington sagte: "Die Bedrohung ist nicht vorbei. Wir glauben, dass die Planung (al-Qaidas für Anschläge) weitergeht." Der am Sonntag getötete al-Quso hatte vor drei Monaten einem Journalisten im Jemen gesagt: "Der Krieg zwischen uns und unseren Feinden ist nicht zu Ende. Warten Sie mal ab, was jetzt kommt."

Konstrukteur der Unterhosen-Bomben ist der saudische Terrorist Ibrahim Hassan al-Nasiri. Er soll auch jene raffiniert in Druckerpatronen verborgenen Sprengsätze von 400 Gramm Nitropenta verschickt haben, die im Oktober 2010 gefunden wurden. Sie sollten eine Maschine über den USA zum Absturz bringen. Misstrauische Sicherheitsexperten hatten die Patronen jedoch ausgebaut - ohne zunächst das Nitropenta zu entdecken.

Al-Nasiri sei ohne Frage derzeit wohl die größte Bedrohung für die USA, meinte ein amerikanischer Antiterror-Beamter. John Brennan, Sicherheitsberater von Barack Obama, sagte dem US-Sender NBC, dass die Aufdeckung der raffinierten neuen Bombe die USA zu zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen im ganzen Land zwingen würde. Der Anschlagsplan habe Löcher im Schutzsystem der USA offenbart.

Al-Qaida arbeitet an diversen Anschlagsszenarien. Vor einem Jahr hatten deutsche Ermittler in einem Pornofilm, der einem festgenommenen Al-Qaida-Aktivisten gehörte, in mehr als 100 raffiniert verschlüsselten Dokumenten Pläne für Attentate nach dem Vorbild der Anschläge von Mumbai im Jahr 2008 mit 164 Toten sowie für Anschläge auf Kreuzfahrtschiffe gefunden.