US-Präsident Obama reiste eigens nach Kabul, um das Abkommen mit seinem Amtskollegen Karsai zu unterzeichnen. US-Soldaten werden damit auch nach 2014 noch in Afghanistan sein. Die Taliban quittieren den Deal mit einem blutigen Angriff in der Hauptstadt.

Kabul/Islamabad. Wenige Stunden nach einem Blitzbesuch von US-Präsident Barack Obama in Afghanistan haben die Taliban einen schweren Anschlag verübt. Die Explosion einer Autobombe in der Hauptstadt Kabul kurz nach der Unterzeichnung eines Strategieabkommens zwischen beiden Staaten demonstrierte die Schlagkraft der Islamisten auch nach mehr als zehn Jahren Krieg. Mindestens sechs Menschen starben am Mittwoch, darunter ein junges Mädchen. Obama hatte während seines etwa sechsstündigen Aufenthalts das Abkommen unterzeichnet, das die Beziehungen nach dem Abzug der meisten ausländischen Kampftruppen Ende 2014 regeln soll. Der Besuch am Todestag des Al-Kaida-Chefs Osama bin Laden stand im Zeichen des US-Wahlkampfes.

Obamas Rede auf dem Luftwaffenstützpunkt Bagram wurde in die USA übertragen. „Nach einem Jahrzehnt der Konflikte im Ausland und einer Wirtschaftskrise in der Heimat ist die Zeit kommen, Amerika zu erneuern“, sagte der Präsident. „Diese Zeit des Krieges begann in Afghanistan und hier wird sie auch enden.“ Er wisse, dass viele Amerikaner des Krieges müde seien, sagte Obama weiter. „Aber wir müssen den Job zu Ende bringen, den wir in Afghanistan begonnen haben, und diesen Krieg verantwortungsbewusst abschließen.“ Vor Panzerfahrzeugen und einer amerikanischen Fahne und zum Jubel der Soldaten verwies er auf die Erfolge des US-Einsatzes bis hin zur Tötung Bin Ladens ein Jahr zuvor. Obama warnte allerdings auch, dass noch schwere Zeiten bevorstünden.

Der Anschlag in Kabul galt dem Green Village, einem Gebäudekomplex, in dem insbesondere Ausländer aus westlichen Staaten wohnen. Zeugen aus dem Komplex berichteten, dass afghanische Soldaten mit Hilfe einer norwegischen Sondereinheit Kämpfer der Taliban zurückgeschlagen hätten. Ein Nato-Sprecher sagte, der Angriff sei abgewehrt worden. Die Taliban selbst erklären, sie seien in das Gebäude eingedrungen und hätten „schwere Verluste“ verursacht. Die Islamisten sind für übertriebene Angaben bekannt. Ein Taliban-Sprecher sagte der Nachrichtenagentur Reuters per Telefon, der Angriff sei als Reaktion auf den Besuch Obamas zu verstehen. Statt Abkommen über die Partnerschaft zu unterzeichnen sollte der Präsident „darüber nachdenken, seine Truppen aus Afghanistan abzuziehen und die Afghanen ihr Land wieder aufbauen lassen“.

Obama hatte seinen afghanischen Kollegen Hamid Karsai in dessen Präsidentenpalast in Kabul getroffen. Das Abkommen eröffne ein neues Kapitel der Beziehungen zwischen den beiden Staaten, sagte Karsai. Nicht geregelt wird in der Vereinbarung die Frage, ob eine gewisse Zahl von US-Soldaten und -Beratern auch nach 2014 im Land bleiben sollen. Ein entsprechendes getrennten Abkommen wird noch ausgehandelt.

Auszüge aus Obamas Rede in Afghanistan

Zur Begründung des Afghanistankrieges : „Es war hier, in Afghanistan, wo Osama bin Laden einen sicheren Hafen für seine Terrororganisation geschaffen hat. (...) Und deshalb sind die USA und unsere Verbündeten vor 10 Jahren in den Krieg gezogen, um sicherzustellen, dass Al-Kaida nie wieder dieses Land nutzen kann, um uns anzugreifen. Trotz anfänglicher Erfolge hat dieser Krieg aus verschiedenen Gründen länger gedauert, als die meisten erwarteten.“

Zum Stand des Kampfes gegen Al-Kaida: „Doch in den vergangenen drei Jahren hat sich die Seite gewendet. Wir haben den Elan der Taliban gebrochen. (...) Und vor einem Jahr haben unsere Truppen von einem Stützpunkt hier in Afghanistan aus den Einsatz begonnen, bei dem Osama bin Laden getötet wurde. Das von mir gesetzt Ziel – die Al-Kaida zu schlagen und ihr keine Chance zur Erneuerung zu geben – ist jetzt in Reichweite. Doch immer noch haben wir Schwierigkeiten vor uns.“

Zum Fortgang des US-Einsatzes in Afghanistan : „Wir haben begonnen, den Afghanen die Verantwortung für die Sicherheit zu übergeben. (...) Diesen Monat wird unser Bündnis bei einem Nato-Gipfel in Chicago das Ziel setzen, dass die afghanischen Kräfte im kommenden Jahr die Führung bei Kampfeinsätzen überall im Land haben. Internationale Truppen werden die Afghanen weiter trainieren, beraten und unterstützen und an ihrer Seite kämpfen, wenn es sein muss. Aber wir werden in eine Unterstützerrolle wechseln, während die Afghanen nach vorn treten. Während wir das tun, werden unsere Truppen heim kommen. (...) Und wie unsere Koalition vereinbart hat, werden die Afghanen bis Ende 2014 voll verantwortlich für die Sicherheit ihres Landes sein.“

Zum Partnerschaftsvertrag mit Afghanistan: „Wir bauen eine dauerhafte Partnerschaft. (...) Aber wir werden weder ständige Stützpunkte in diesem Land haben, noch werden wir in Städten und Bergen patrouillieren. Das wird die Aufgabe des afghanischen Volkes sein.“

Zum Verhältnis zu den Taliban: „Wir streben einen Verhandlungsfrieden an. Meine Regierung hatte in Abstimmung mit der afghanischen Regierung direkte Gespräche mit den Taliban. Wir haben klar gemacht, dass sie Teil dieser Zukunft sein können, wenn sie mit Al-Kaida brechen, der Gewalt abschwören und die afghanische Gesetze achten. Viele Mitglieder der Taliban – von Fußsoldaten bis zu Anführern – haben ein Interesse an Versöhnung bekundet. Der Weg zum Frieden liegt jetzt vor ihnen.“

Zum Ziel der US-Politik am Hindukusch: „Unser Ziel ist es nicht, ein Land nach dem Vorbild Amerikas zu bauen oder den letzten Rest der Taliban auszuradieren. Diese Ziele würden viele Jahre, viel mehr Dollar und – das ist am wichtigsten - viel mehr Amerikanern das Leben kosten. Unser Ziel ist es, Al-Kaida zu zerstören, und wir sind auf dem Weg, genau das zu tun. (...) Ich erkenne an, dass viele Amerikaner des Krieges müde sind. (...) Doch wir müssen diese Aufgabe, die wir in Afghanistan begonnen haben, zu Ende führen und diesen Krieg verantwortungsvoll beenden.“

Mit Material von dpa und rtr