Am ersten Todestag des einst meistgesuchten Terroristen der Welt drückt US-Präsident Obama seine Zuversicht aus, al-Qaida zerschlagen zu können.

Kabul/Islamabad. Ein Jahr nach der Tötung des Terrorpaten Osama bin Laden: US-Präsident Barack Obama sieht die USA auf einem guten Weg bei der Zerschlagung des Terrornetzwerkes al-Qaida. „Wir sehen das Licht eines neuen Tages“, sagte Obama anlässlich des Todestages bin Ladens. Eine US-Spezialeinheit hatte den meistgesuchten Terroristen der Welt und Chefplaner der Terroranschläge vom 11. September 2001 auf das World Trade Center in New York vor genau einem Jahr in der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad gestellt und getötet.

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„Unser Ziel ist die Zerstörung al-Qaidas und wir sind auf dem Weg, genau das zu tun“, sagte der US-Präsident während eines Kurzbesuchs bei US-Truppen in Afghanistan. In den vergangenen drei Jahren habe man die Führung des Terrornetzwerkes dezimiert und „mehr als 20 ihrer 30 obersten Führer ausgeschaltet“, sagte Obama.

Der Anschlag in Kabul am Jahrestag der Tötung des al-Qaida-Chefs war nach Angaben der Taliban gegen den Besuch von US-Präsident Barack Obama gerichtet. Es habe sich „nicht um Rache für die Tötung Osama bin Ladens“ durch amerikanische Spezialkräfte gehandelt, sagte Taliban-Sprecher Sabiullah Mudschahid. Die Tat solle „übermitteln, dass US-Präsident Barack Obama nicht willkommen“ in Afghanistan sei. „Afghanen mögen keine Invasoren, und sie müssen dieses Land verlassen“, sagte Mudschahid. „Sobald unsere Mudschaheddin wussten, dass der US-Präsident Afghanistan besuchte, planten wir einen Vergeltungsangriff.“

Ein Selbstmordkommando der Taliban hatte am Mittwoch wenige Stunden nach dem Abflug Obamas einen Gebäudekomplex in Kabul angegriffen, in dem westliche Ausländer unterkommen. Mindestens vier afghanische Zivilisten, ein nepalesischer Wachmann und die drei Angreifer wurden getötet. Obama hatte in Kabul gemeinsam mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai ein strategisches Abkommen der beiden Länder unterzeichnet. Das Abkommen – dessen genauer Inhalt noch unbekannt ist – sieht unter anderem eine Präsenz von US-Truppen in Afghanistan auch nach dem Ende des Nato-Kampfeinsatzes 2014 vor.

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Al-Qaida ist mehr denn je eine Idee

Die Kommandoaktion und der Tod des Terrorpaten Osama bin Laden im vergangenen Mai war für die USA vor allem ein ideeller Schlag gegen al-Qaida. Niemand war überrascht, dass das dezentral organisierte Terrornetzwerk auch ein Jahr nach dem Tod des Gründers und der Gallionsfigur Bin Laden weiterhin aktiv ist. Bin Ladens Nachfolger, der Ägypter Aiman al Sawahiri, hat nicht das Charisma seines langjährigen Weggefährten. Er gilt als barsche und kontroverse Persönlichkeit. Doch wenn al-Qaida eines bewiesen hat, dann die Fähigkeit, sich an widrige Umstände anzupassen. Seit den Anschlägen vom 11. September 2001 sind mehr als zehn Jahre vergangen. Die Organisation, die der Terrorchef im vergangenen Jahr hinterließ, war eine andere als damals und sie hat sich auch seit seinem Tod gewandelt.

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Der harte Kern der al-Qaida in Pakistan ist ständig auf der Flucht vor Drohnenangriffen der CIA im Grenzgebiet zu Afghanistan. In anderen Teilen der Welt, vor allem in Afrika, ist al-Qaida erfolgreicher und hat neue Fronten eröffnet, indem sie mit örtlichen Extremisten kooperiert. Es sind al-Qaida-Ableger entstanden, die unter dem ideologischen Banner des globalen Dschihads für regional begrenzte Interessen kämpfen. Sie gleichen in Teilen Afrikas eher traditionellen Rebellenbewegungen als Terrorgruppen und siedeln sich aktiv dort an, wo Staaten nicht fähig sind, ihr Machtmonopol durchzusetzen.

Al-Qaida ist mehr den je eine Idee, oder gleicht eher einem Dachverband für Gruppen, die eigene Ziele verfolgen. „Der Markenname al-Qaida wird für viele Franchises und Branchen genutzt“, erklärt der Dschihad-Experte von der Stiftung Wissenschaft und Politik, Asiem El Difraoui. Es gebe vereinfacht drei verschiedene Organisationstypen. Einmal die Kern-al-Qaida um Aiman al Sawahiri. Dann zwei Arten von Ablegern. Die einen, wie die al-Qaida im Jemen, wurden direkt im Auftrag der Kern-al-Qaida gegründet. Die zweite Form des Ablegers sind Gruppen wie die al-Qaida im Islamischen Maghreb, die um Mitgliedschaft bei al-Qaida buhlen und erst gewisse Standards erfüllen mussten, um aufgenommen zu werden. Zuletzt gebe es noch autonome Gruppen, die mit al-Qaida verbündet sind.

Am gefährlichsten schätzen die Amerikaner al-Qaida im Jemen ein. Erst kürzlich bat der Direktor der CIA, David Petraeus, die US-Regierung um Erlaubnis, das Drohnenprogramm im Jemen auszuweiten, nach der Art wie es in Pakistan erfolgreich war. Während des Volksaufstandes gegen den ehemaligen jemenitischen Staatspräsidenten Ali Abdullah Saleh im vergangenen Jahr, konnten Kämpfer der al-Qaida im Jemen mehrere Städte im Süden des Landes erobern, die unter schweren Verlusten von den jemenitischen Regierungstruppen zurückerobert werden.

Am Horn von Afrika nutzt die somalische Al Shabab das Machtvakuum, das der seit mehreren Jahrzehnten darbende Staat nicht ausfüllen kann. Sie schloss sich Anfang Februar offiziell der al-Qaida an, wie Sawahiri in einer Videobotschaft bestätigte. In Algerien bis in die südlich gelegene Sahelzone hinein, in Mali und Mauretanien, ist der Ableger al-Qaida im Islamischen Maghreb aktiv. Durch den Staatsstreich in Mali im März entstand im Norden des Landes ein Machtvakuum, das nicht nur die Rebellen der Tuareg für sich zu nutzen wussten. Auch die schwarzen Flaggen der radikalislamischen Organisation Ansar Dine wurden gesichtet. Im Norden von Nigeria ließ die radikalislamische Sekte Boko Haram ihren Kampf aufleben. Auch ihr werden Verbindungen zur Al-Kaida nachgesagt.

Mit Material von dapd/dpa