Ägypten öffnet dauerhaft die Grenze zum Gazastreifen. Für 1,6 Millionen Palästinenser geht damit die Tür zur Freiheit wieder auf – einen Spalt weit wenigstens.

Rafah/Tel Aviv. Das große Tor öffnet sich. Ein ägyptischer Grenzpolizist in der typisch weißen Uniform schlägt die Hacken zusammen und salutiert. Zwei Krankenwagen kommen zuerst durch und danach vier Busse mit 240 Palästinensern. Es ist ein historischer Moment.

Nach vier Jahren Blockade hat Ägypten seine Grenze zum Gazastreifen wieder für den Personenverkehr geöffnet. Alle Einwände und Sorgen Israels halfen nichts. Der „arabische Frühling“ änderte die Spielregeln. Die neue ägyptische Führung hörte auf Volkes Stimme. Und die war von Anfang an dagegen, dass der Gazastreifen abgeriegelt wird und die palästinensischen Brüder jenseits der Grenze leiden.

Gut in Erinnerung sind noch jene Bilder, als hunderttausende Palästinenser im Januar 2008 die Grenze zu Ägypten stürmten. Dieses Mal behalten die Polizisten dies- und jenseits der Grenze die Kontrolle. „Alles ruhig und unkompliziert“, sagt ein palästinensischer Beamter.

Einer der Ausreisenden ist Abu Sajed Jassin, der mit seiner Frau und drei Kindern eigentlich in Rumänien lebt. „Meine Mutter war krank und deshalb bin ich hergekommen. Ich bin so froh, dass die Reisebeschränkungen aufgehoben worden sind und wir problemlos nach Gaza ein- und ausreisen können“, sagt der 56-Jährige.

Einen Monat vor Beginn der Sommerferien bieten sich für die rund 1,6 Millionen Palästinenser im Gazastreifen völlig neue Perspektiven. Ein Urlaub im Ausland beispielsweise. Geschäftsleute können wieder reisen. Außerdem wird es einfacher, sich im Nachbarland Ägypten behandeln zu lassen; die medizinische Versorgung ist dort besser. Junge Palästinenser können im Ausland studieren und während der Semesterferien ihre Familie im Gazastreifen besuchen.

Trotz Grenzöffnung ist nach vier Jahren Blockade die große Freiheit aber noch nicht ausgebrochen. Beispielsweise müssen alle Männer im Alter zwischen 18 und 40 Jahren vor der Ausreise eine Sondergenehmigung der ägyptischen Sicherheitsbehörde einholen. Der Grund: Viele Palästinenser dieser Altersgruppe gehören militanten Gruppierungen an.

Israels Regierung ist über die ägyptische Entscheidung zwar wenig glücklich, hält sich aber mit lautstarker Kritik zurück. Vize-Regierungschef Silwan Schalom sprach lediglich von einer „gefährlichen Entwicklung“. Außer Rafah werden alle anderen Übergänge zum Gazastreifen von Israel kontrolliert, nur humanitäre Fälle dürfen durch. Israel ist besorgt, dass Terroristen jetzt bequem über den Landweg nach Gaza einreisen. Bislang mussten sie durch einen von hunderten Schmugglertunnel krauchen. Hauptärgernis dürfte aber in Israel sein, dass es in der Außenwahrnehmung eine empfindliche Niederlage einstecken musste, während der Erzfeind Hamas zumindest einen Mini-Sieg verbuchte.

Denn nach vier Jahren Blockade ist die Grenze zu Ägypten wieder offen, obwohl die im Gazastreifen herrschende radikal-islamische Hamas weiter an der Macht ist. Ägypten und Israel hatten ihre Grenzen am 9. Juni 2007 geschlossen. Sie wollten die Hamas in die Schranken weisen, nachdem sie mit blutiger Gewalt die Macht übernommen hatte.

Mit der Abriegelung der Grenzen wollte Israel eigentlich auch die Bevölkerung im Gazastreifen gegen die Hamas aufbringen. Ein Umsturz wäre willkommen gewesen. Doch statt Rebellion in Gaza hält jetzt der internationale Druck auf Israel weiter an, seine Grenzübergänge für den Waren- und Personenverkehr durchlässiger zu machen.